Die Germanin
Achtung, als er danach auf Diutisk, das er schon recht gut beherrschte, einen Trinkspruch auf die Freundschaft zwischen Cheruskern und Römern ausbrachte. Auch Nelda bewunderte in diesem Augenblick seine Kaltblütigkeit und großherzige Gesinnung.
Sie wusste, dass auch sie demnächst eine Braut sein würde und so bemühte sie sich, den in Aussicht genommenen Bräutigam mit freundlichen Augen zu sehen. Es fiel ihr nicht schwer, denn sein einnehmendes Wesen und seinen anständigen Charakter schätzte sie längst. Dass er ein hübscher junger Mann mit schwarzen Locken, doch uneitel und trotz seiner hohen Geburt und Stellung bescheiden war, sprach ebenfalls zu seinen Gunsten.
Gaius Sempronius hatte sich mittlerweile tatsächlich um sie beworben. Segestes hatte ihn dazu ermutigt, ja geradezu aufgefordert, und der junge Römer, der schon leidenschaftlich in Nelda verliebt war, schien nur auf ein solches Zeichen gewartet zu haben. Ihr glücklicher Vater ließ sie gleich rufen und teilte ihr die frohe Neuigkeit mit. Er bat sie sogar um ihre Zustimmung, obwohl er das nach dem Stammesrecht der Cherusker, das ihm die Munt mit allen Rechten zusprach, nicht hätte tun müssen. Ihre Ablehnung hätte nichts geändert, doch warum hätte sie nach ihrer großen Enttäuschung den Antrag eines vertrauenswürdigen Mannes, der sie liebte, ablehnen sollen?
Die Heirat war so gut wie beschlossen. Es gab allerdings noch eine Unwägbarkeit. Ohne das Einverständnis des Vaters konnte auch ein römischer Aristokrat keine Verlobung eingehen. Der Senator Lucius Sempronius wurde jedoch in Kürze in Germanien erwartet, wo er sich auf Einladung des Statthalters mit einer Gruppe hochgestellter Persönlichkeiten ein Bild von den Fortschritten bei der Einrichtung der Provinz machen wollte. Bei dieser Gelegenheit wollte Gaius ihm Segestes und seine Tochter vorstellen und seine Zustimmung zur Heirat erbitten.
Schon wenige Tage nach der Hochzeit des Segithank reiste Gaius Sempronius ab. Er wollte seinen Vater am Rhenus erwarten, wo dieser gegen Ende des Monats Juni eintreffen sollte. Dann wollten sie gemeinsam dem Statthalter, einem persönlichen Freund des Senators, an den Visurgis ins Sommerlager folgen. Dort sollten dann Segestes und Nelda zu ihnen stoßen.
Dieses Sommerlager am Visurgis, in der Nähe der altgermanischen Thingstätte Markloh, war eine Einrichtung, die der Statthalter Publius Quinctilius Varus erdacht hatte und auf die er sehr stolz war. Gleich im Jahr seiner Ankunft war er mit mehreren Legionen, Hilfstruppen und einem Riesentross von Händlern und Handwerkern quer durch das Land dorthin gezogen, um mitten in der noch ungesicherten Provinz Germanien römische Macht zu demonstrieren. Hunderte hölzerner Behausungen für Tausende Legionäre wuchsen aus dem Boden. Eine Marktsiedlung aus Buden und Zelten lehnte sich an die Lagermauer. Eine Tribüne wurde errichtet, auf der der Statthalter zu Gericht saß. Es gab Schaukämpfe und sportliche Wettbewerbe. Die Absicht, die scheuen, misstrauischen Germanen aus ihren Wäldern zu locken und an städtisches Leben zu gewöhnen, ging auf. Sie kamen in Scharen, verkauften Schweine und Schafe, Felle, Geweihe, Honig. Sie gewöhnten sich an das Geld, das sie einnahmen, und erwarben dafür Teppiche, Seidengewänder, Goldschmuck und andere römische Luxusgüter. Sie gafften, staunten, beteiligten sich an den Wettkämpfen und schlüpften in die Zelte der dienstbaren Mädchen. Immer häufiger brachten sie auch ihre Rechtsangelegenheiten vor den römischen Oberlichter.
In diesem Jahr wurde das Lager zum dritten Mal errichtet, größer und bunter als in den Jahren zuvor. In dem Flusshafen schaukelte die Galeere des Statthalters, die man vom Rhenus entlang der Nordmeerküste und den Visurgis heraufgebracht hatte. Nach und nach fanden sich alle wichtigen germanischen Stammesführer und Gaufürsten ein, um dem Mächtigen ihre Aufwartung zu machen. Fast täglich versammelten sie sich mit den hohen Offizieren und immer neuen Gästen, die von weither anreisten, bei seinen Festgelagen.
Gegen Ende August, nachdem die Ernte eingebracht war, erschien auch Segestes am Visurgis. Er wurde von Brun und Segithank begleitet, die sich sogleich auf dem Pferdemarkt umtaten, wo sie der römischen Reiterei Tiere aus eigener Zucht verkauften. Ramis wäre gern mitgekommen, doch sie war schwanger und scheute die Reise. Auch Frau Male war auf dem Herrenhof zurückgeblieben. Mit klopfendem Herzen folgte Nelda ihrem Vater am Tage
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