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Die Germanin

Titel: Die Germanin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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blieb in dumpfer Fassungslosigkeit zurück. Sie machte sich noch eine Weile im Stall zu schaffen, und erst nach und nach wurde ihr klar, dass sie hoffte, man würde sie rufen. Doch nichts geschah und auf einmal empfand sie dieses Warten als demütigend. Jetzt hatte sie nur noch einen Wunsch: Arminius nicht mehr zu begegnen. Wenn sie ihm so gleichgültig war, wenn er seine Beteuerungen und den großen, von seinem Heil diktierten Entschluss längst vergessen hatte, wollte sie ihn durch ihren Anblick nicht mehr in Verlegenheit bringen. Vermeiden wollte sie auch, dass sie bei einer Begegnung ihre Gefühle verriet, vielleicht in Tränen ausbrach und sich lächerlich machte. Sie schlich an der Trennwand durch den Mittelgang nach draußen. Mit einem letzten flüchtigen Blick in die Halle sah sie Arminius und seine Gefährten, Becher und Näpfe in den Händen, um das Herdfeuer sitzen.
    Draußen stand sie einen Augenblick im Flockenwirbel und überlegte, wo sie sich verstecken sollte. Der Schafstall fiel ihr ein, doch dann trugen sie ihre Füße wie von selbst zu einer niedrigen Hütte. Sie trat ein, schlug die Tür zu und wärmte sich über dem Kohlebecken.
    »Ich habe selbst ein paar Notizen bei dem Verhör gemacht«, sagte Gaius Sempronius, der am Tisch bei der Öllampe über einer Wachstafel saß und schrieb. »Willst du sie dir ansehen, Nelda?«
    »Später. Mir ist so kalt…«
    »Warte, ich hole dir eine Decke.«
    Als sie beieinanderhockten und die Notizen durchsahen, trat plötzlich Segestes ein. Er warf einen Blick auf die beiden Männer, die das kleine Gefolge des Römers bildeten und in einer Ecke beim Brettspiel saßen. Dann beugte er sich vor und sagte, die Stimme dämpfend:
    »Sie sind fort. Ein unverhoffter Besuch. Aber wozu mitten im Winter, bei solchem Wetter? Es muss ihm wohl dringend sein, doch mir ist nicht ganz klar, was er wirklich wollte, dieser Arminius. Ich traue ihm nicht. Er will Widerstandsnester ausheben, aber vielleicht meinte er das gar nicht, sondern etwas ganz anderes. Ich hab eine feine Nase und wittere Fäulnis. Da ist irgendetwas im Gange…«

 
10
     
    Vorerst jedoch bedeckten Schnee und Eis die Landschaften zwischen Rhenus und Albis und wo das Leben nicht erstarrte, bewegte es sich sehr langsam und schwerfällig. Die Römer hatten sich auf die Festung Aliso und ihre Stützpunkte am Rhenus zurückgezogen, wo sie sicher vor Überraschungen waren und den germanischen Winter etwas weniger hart empfanden. Die Cherusker gingen auf die Jagd, streckten die Wintervorräte, verbrannten die vielen Opfer des strengen Winters und trafen Vorbereitungen auf sehr unterschiedliche Ereignisse, die den Ablauf des Jahres 762 ab urbe condita bestimmen sollten.
    Im Frühjahr fand eine Hochzeit auf dem Herrenhof statt. Nach langem Zögern hatte Segestes zugestimmt, dass Ramis die Frau des Segithank wurde. Er fand, dass die Zeit im römischen Heer dem großmäuligen Raufbold und Beutemacher gut getan, wenn auch sein Wesen kaum verändert hatte. Immerhin verstärkte er jetzt wieder seine Gefolgschaft, denn Arminius hatte ihn anstandslos ziehen lassen. Er hatte sogar zugesagt, zur Hochzeit zu kommen, erschien aber nicht. Alle fragten sich: Wo mochte er sich jetzt gerade wieder herumtreiben? Sein unstetes Umherreisen im Land der Cherusker und auch bei benachbarten Stämmen war an den Tischen auf dem Herrenhof Gegenstand aller Gespräche. Die von nah und fern angereisten Hochzeitsgäste stellten allerlei Vermutungen an. Die einen glaubten, er sei mit geheimen Aufträgen des Statthalters oder als dessen Spion unterwegs. Andere meinten, er suche weiter nach einer Frau für seine heruntergekommene Wirtschaft. Wieder andere munkelten von einer Gefolgschaft in Heeresstärke, die er sich von überallher zusammenholte, um vielleicht eines Tages unter dem Kaiser als König zu regieren. Dem wurde heftig widersprochen: Nein, vielleicht war es nur der Drang nach der Ferne, nach dem Abenteuer, das dem verabschiedeten römischen Offizier im Blut steckte und ihn umhertrieb. Genaueres wusste allerdings niemand.
    Die Hochzeitsfeier uferte aus und gegen Abend begannen einige Betrunkene, auf die Römer zu schimpfen. Gaius Sempronius und seine beiden Gefährten, die eigentlich Gallier waren, wurden sogar tätlich bedroht und Segestes musste seine ganze Autorität aufbieten, um die Hitzköpfe zu beruhigen. Der junge römische Richter blieb gelassen, selbst als einer sein Messer gegen ihn zückte. Er verdiente sich die allgemeine

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