Die Germanin
wäre es ihm«, sagte Arminius, nachdem Hadu alles berichtet hatte. »Wer kann wissen, wozu ihn sein Starrsinn treibt! Dabei ist seine Lage nicht ungünstig, leider muss man das sagen. Hoffentlich weiß er es nicht. Ich muss noch einmal versuchen, ihn umzustimmen. Vielleicht ist es zwecklos. Aber versuchen muss ich es!«
Ohne sich eine Rast zu gönnen, stieg er, begleitet von Tammo und seinem Gefolge, auf dem Hauptweg zum Herrenhof hinauf. Zu beiden Seiten unter den Bäumen standen Kämpfer mit Framen und Schilden. Beim Anblick des Heerführers wurden Heil-Rufe laut. Noch immer fiel feiner Regen. Die Männer kamen auf dem morastigen Weg nur langsam, mit schweren Schritten voran.
Sie erreichten das wuchtige Haupttor des Hofes. In der Mitte war an den Querbalken ein Pferdeschädel genagelt, der sich in dem umgebenden Dunkel, das nur noch Konturen erkennen ließ, bleich und gespenstisch ausnahm. Vor dem Tor zog sich der breite Wassergraben hin, den ein Bergquell und der Regen bis zum Rande gefüllt hatten. Die Bohlen, die sonst als Brücke dienten, waren von den Belagerten entfernt worden.
»Nimm Deckung hinter den Bäumen«, riet Tammo. »Man kann nie wissen. Seine Schützen lauern hinter dem Erdwall.«
Tatsächlich tauchten links und rechts des Tores über dem Wall mehrere Köpfe auf.
»Ihr Männer da oben!«, schrie Tammo. »Holt euern Herrn ans Tor! Der Heerführer Arminius ist hier, er will ihn sprechen!«
Segestes ließ auf sich warten. Es wurde so dunkel, dass nur noch der Pferdeschädel als heller Fleck zu erkennen war. Arminius und Tammo, durch Stämme und Buschwerk gedeckt, unterhielten sich leise.
»Was meintest du damit«, fragte Tammo, »dass seine Lage nicht ungünstig ist?«
»Die Chatten sind geschlagen, sie waren nach Süden zu unser Sperrriegel. Ich hatte gehofft, dass er hält. Es wird dauern, bis sich die überlebenden Kämpfer gesammelt haben.«
»Also keine Hilfe von dorther?«
»Nein. Wenn Germanicus sich entschließt, weiter vorzustoßen, können wir ihn nicht aufhalten. Es ist nun unsere offene Flanke. Er könnte das erkennen und nutzen.«
»Hoffentlich erfährt er nicht, dass deine Frau hier gefangen gehalten wird. Das wäre erst recht ein Anreiz für ihn.«
»Unerträglich!«, sagte Arminius gepresst. »Sie ist da drinnen und ich stehe hier und kann nichts für sie tun. Manchmal bedaure ich, dass ich damals dagegen war, als ihr den alten Querkopf…« Er vollendete diesen Gedanken nicht, der sich ihm immer mal wieder aufgedrängte, den er jedoch niemals aussprechen wollte. Seine Ahnen kamen ihm wieder in den Sinn, die einst hier heraufgestiegen waren, voller Zorn wie er selbst, um die Vorfahren des Segestes für irgendeine üble Tat zu bestrafen. Vielleicht ging es auch damals um eine Frau. Es schien, dass sie lange miteinander in Fehde gelegen hatten. Er wollte die Zeiten der Fehde nicht wieder aufleben lassen. Nie mehr. Nichts lag ihm ferner. Aber was konnte einer tun, dem die Frau geraubt wurde?
Plötzlich vernahm er von vorn die raue, wohlbekannte Stimme, die in die Dunkelheit hineinrief:
»Ist dort irgendwo der, der sich Arminius nennt, aber die Römer, die ihm den Namen gaben, verraten hat?«
Wie ein schwarzer Pfahl zeichnete sich die hohe Gestalt des Segestes, der seitlich des Tors auf dem Erdwall stand, gegen den dunklen, bewölkten Himmel ab.
»Der Mann, der sich Arminius nennt, ist hier!«, rief der Heerführer zurück. »Aber einen Verräter gibt es hier nicht.«
Er trat hinter den Bäumen hervor. Tammo ergriff seinen Arm und wollte ihn zurückhalten.
»Vorsicht!«
»Lass mich. Er steht da oben ohne Schutz. Soll ich mich vor ihm verkriechen?«
Arminius trat bis an den Rand des Wassergrabens.
»Was willst du?«, rief Segestes.
»Die Frage kannst du dir wohl selbst beantworten. Dass du Männer entführen lässt, habe ich am eigenen Leibe erfahren. Nun weiß ich, dass du auch vor Frauenraub nicht zurückschreckst. Aber du bist ein Mann, der Verstand hat und sich nicht nur von Leidenschaften lenken lässt. Vielleicht hast du inzwischen eingesehen, wie überstürzt du gehandelt hast. Ich stehe hier am Tor deines Hofes, um meine Frau in Empfang zu nehmen. Lass sie gehen. Ich bitte dich darum!«
»Solltest du meine Tochter meinen, so ist sie nicht deine Frau!«, tönte es oben vom Wall zurück. »Und wenn du von Raub sprichst, so bist du selbst der Frauenräuber. Aber dann hast du meine Tochter, die – was ich bedauere – von dir ein Kind erwartet, im tiefsten
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