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Die Germanin

Titel: Die Germanin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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Winter verlassen, um weite Reisen zu unternehmen. Als ich das erfuhr, musste ich handeln! Ich bin ihr Vater und Muntwalt, sie zu schützen ist meine Pflicht. Und wo ist sie besser geschützt als hier… bei mir auf dem Wehrhof!«
    »Deinen Schutz hatte sie nicht nötig – sie ist gegen ihren Willen hier! Und sie wurde gegen ihren Willen entführt!«
    »Das ist nicht wahr! Sie vertraute sich ihrem Bruder an und folgte ihm hierher. Weil sie sich fürchtete und Sicherheit suchte.«
    »Das möchte ich von ihr selbst hören!«
    »Verzichte darauf! Ich habe ihr mitgeteilt, dass du hier bist. Sie will dich nicht sehen und nicht sprechen. Sie sah sich von dir verlassen und suchte Schutz. Niemals wird sie zu dir zurückkehren!«
    »Du lügst wieder, Segestes!«, rief Tammo mit heller Stimme. »So hast du mich damals auch belogen!«
    »Wer ist dort?«, schrie Segestes. »Wen soll ich belogen haben?«
    »Mich – Tammo!« Er trat nun ebenfalls vor. »Als Arminius dein Gefangener war. Als du mir vorlogst, er wollte gegen deine Tochter ausgetauscht werden.«
    »Ich bin euch keine Rechenschaft schuldig, wenn es um meine Tochter geht!«, gab Segestes mit Donnerstimme zurück. »Jedes Mittel war recht, damit ich sie zurückbekam. Und die Götter bedankten sich für meine Gebete und Opfer – sie halfen dabei! Und solltet ihr frevelhaft versuchen, euer Ansinnen mit Gewalt durchzusetzen, dann seid gewiss: Es wird nicht gelingen! Denn wenn ihr dabei nicht zugrunde geht, wird euch bis ans Ende eurer Tage die Reue plagen!«
    »Was Hadu gehört hat«, sagte Tammo leise. »Er ist zum Äußersten entschlossen.«
    Der schwarze Pfahl auf dem Wall bewegte sich. Segestes hatte sein letztes Wort gesprochen und wollte hinabsteigen. Neben ihm waren schattenhaft immer mehr Männer seiner Gefolgschaft aufgetaucht und auch hinter den Bäumen vor dem Burgtor waren ganze Gruppen von Belagerern hervorgetreten, um besser sehen und hören zu können. Es hatte aufgehört zu regnen. Für wenige Augenblicke rissen die Wolken auf, ein Mondstrahl fiel auf den bleichen Pferdeschädel, das Wasser des Grabens schimmerte. In der Nähe schrie ein Käuzchen.
    »Höre, Segestes!«, rief Arminius. »Denke daran, dass du hier weiter mit uns leben willst. Hier, im freien Land der Cherusker. Noch ist nicht alles getan, noch zwingen die Römer uns zu kämpfen. Aber so, wie sie wüten, beweisen sie nur, dass sie selbst keine Hoffnung haben, hier bleiben zu können. Sie bringen Tod und Verderben, morden, brennen und flüchten dann wie Verbrecher, die Strafe fürchten, hinter den Rhenus. Wenn sie kommen, haben sie nur noch niedere Gelüste, keine höheren Ziele mehr. Sie wissen, dass ihre Zeit vorbei ist, sie haben aufgegeben! Du bist ein kluger, erfahrener Mann – warum begreifst du das nicht? Warum stehst du so hartnäckig auf der Seite der Verlierer? Und wie stellst du dir deine Zukunft vor? Wie willst du uns später noch in die Augen sehen, wenn du uns auch diesmal verrätst und im Stich lässt! Niemand wird dir noch einmal helfen, wenn die Cherusker endgültig über dein Schicksal bestimmen. Die Götter nicht – und der Caesar in Rom schon gar nicht! Deshalb komm zur Vernunft. Öffne das Tor! Lass uns hinein! Lade uns ein, mit dir einen Becher zu trinken! Lass mich dich Freund und Vater nennen! Und dann lass uns gemeinsam in diesen letzten Kampf ziehen!«
    Segestes hatte, während Arminius sprach, halb abgewandt auf dem Erdwall gestanden. Jetzt drehte er sich noch einmal brüsk um und ballte die Fäuste.
    »Ja, zieht nur in euern letzten Kampf!«, schrie er. »Zur Hel! In den Untergang!«
    Im nächsten Augenblick war er hinter dem Wall verschwunden.
    Ein Wurfspieß schwirrte von dort heran und schlug hinter Arminius in einen Stamm ein. In wildem Zorn entriss Tammo einem Krieger, der hinter ihm stand, die Frame. Er schleuderte sie nach dem Pferdeschädel am Tor, der herabstürzte und im Wasser des Grabens versank.

 
26
     
    Nelda hatte von der Begegnung am Burgtor kaum etwas mitbekommen. Als ihm gemeldet wurde, Arminius stehe draußen, war Segestes zu ihr geeilt und hatte ihr, ohne einen Grund anzugeben, strengstens befohlen, das Webhaus nicht zu verlassen. Sonst durfte sie bei Einbruch der Nacht in die Wohnhalle überwechseln, wo das Herdfeuer ein wenig Licht spendete. An diesem Abend hockte sie nun mit den beiden Mägden in der Finsternis der vertieft angelegten Hütte und lauschte auf die Geräusche und Stimmen hinter dem Vorhang. Sie ahnte, dass etwas

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