Die gesandte der Köingin Tess 2
halten, denn die Segel waren gerefft, und das Deck blieb einigermaßen ruhig und gerade.
Meine üble Laune herrschte seit dem Moment vor, als ich in meiner tropfnassen Unterwäsche an Deck der Strandläufer gelandet war, umgeben von übertriebener, aufgeregter Besorgnis. Die meiste Aufmerksamkeit hatte Contessa gegolten, was mich nicht weiter störte, denn ich verdrückte mich rasch unter Deck und zog mir etwas Trockenes an. Sogar, dass sie natürlich zuerst in den Badezuber stieg, als das Wasser noch heiß war, hatte mir nichts ausgemacht. Nicht viel. Ich hatte immer noch nicht gebadet, und das Salz war an mir und in meinem Haar getrocknet. Duncans Süßigkeiten waren nicht mehr zu retten. Aber es hatte mich sehr geärgert, dass Jeck die Gelegenheit genutzt hatte, bei uns an Bord zu kommen.
Der kräftig gebaute, nachdenkliche Mann sollte gefälligst auf dem Kriegsschiff bleiben, zusammen mit den übrigen Misdever Soldaten. Doch unter dem Vorwand, nach Alex sehen zu wollen, war er auf mein Schiff gekommen, und ich spürte seine Gegenwart an Bord beinahe so deutlich, als stünde er hinter mir. Ich hörte förmlich, wie er mit seiner klangvollen Stimme etwas über alberne Frauen und Spiele und aus schierer Dummheit verlorene Königreiche vor sich hin brummte.
In den Augen der Welt war Jeck der Hauptmann der Wache unseres Nachbarn, des Königs von Misdev. Er war uns sozusagen ausgeliehen worden, bis ein neuer Hauptmann für die Soldaten gefunden war, die Alex nach Costenopolis mitgebracht hatte. In Wahrheit war er wesentlich gefährlicher. Jeck war ein Spieler, ein Rivale, und ich traute ihm nicht über den Weg, trotz Kavenlows Beteuerungen und obwohl der Misdever Offizier selbst eine vorübergehende Allianz vorgeschlagen hatte.
Es half auch nicht gerade, dass Jeck einmal versucht hatte, mich Kavenlow abspenstig zu machen und als seine eigene Schülerin anzuwerben. Die angstvolle Erinnerung an diese Versuchung war noch recht frisch. Wir Spieler lebten in einem seltsamen Kräfteverhältnis – einerseits spielten wir in der Öffentlichkeit eine Person, die dem Thron stets sehr nahe stand, und dann hatten wir noch einen verborgenen Status, der nur anderen Spielern bekannt war. In den Augen der Öffentlichkeit war ich ranghöher als er und hätte ihn auspeitschen lassen können – allerdings war er zu klug, mir einen Vorwand dafür zu liefern. Unter uns war er ein Meisterspieler, wenngleich nur wenige Jahre älter als ich; ich hingegen war ein bloßer Lehrling und musste zusehen, dass er diese Tatsache nicht irgendwie ausnutzte. Dieses empfindliche Gleichgewicht wollte gewahrt werden, und ich wurde allmählich recht gut darin, doch er beherrschte auch das besser. Und während ich die Bürste grob durch Contessas Haar zerrte, kam mir ein Gedanke – vielleicht hatte Kavenlow zugelassen, dass der möglicherweise gefährliche Mann mich begleitete, weil er fand, eine Lektion in Demut könnte mir nicht schaden.
Jeck besaß nicht nur körperliche Fähigkeiten – die ihn auf etwas schroffe Weise attraktiv machten, wie selbst ich zugeben musste –, sondern war der einzige Spieler, der seine Magie dazu nutzen konnte, mit den Händen zu heilen oder zu töten. Ich besaß diese Gabe ebenfalls, aber da Kavenlow mich nicht lehren konnte, sie zu gebrauchen, kam ich damit nicht weiter. Meine Loyalität Kavenlow gegenüber hinderte mich daran, mein volles Potenzial zu entfalten. Denn es war viel zu gefährlich, einfach selbst damit herumzuspielen. Als Jeck meine Fähigkeit zum Vorschein gebracht hatte, hatte er mir auch erklärt, dass Heilen und Töten zwei Seiten derselben Klinge seien – und eine Klinge ist tödlich, wenn man damit einen Fehler macht.
Ich war sicher, dass Jeck jetzt in diesem Augenblick bei Alex saß und ihm alles Mögliche einflüsterte, unter dem Vorwand, dem jüngsten Sohn seines Herrn ein neues Schwert beschaffen zu wollen. Bevor Alex in die Costenopolier Königsfamilie eingeheiratet hatte, war er eine von Jecks Spielfiguren gewesen. Er war zweifellos daran gewöhnt, Jecks Rat zu befolgen, nicht nur, weil dieser der Hauptmann der väterlichen Wache war, sondern auch dank Jecks magischer Fähigkeiten. Dass Alex jetzt eigentlich Kavenlows Figur war, kümmerte Jeck vermutlich einen Möwendreck. Er führte etwas im Schilde. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er sein Spielfeld freiwillig so lange verlassen würde, wenn er sich davon nicht irgendeinen größeren Vorteil versprach.
Alex war angemessen besorgt
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