Die gesandte der Köingin Tess 2
spielen durfte, und Jeck hätte gar nicht hier sein dürfen. Aber das Spiel hatte nur sechs Regeln, und diese Situation fiel unter keine davon. Warum hast du zugelassen, dass er mitkommt, Kavenlow?, dachte ich und fragte mich, ob es vielleicht meine Aufgabe sei, Jeck zu beschäftigen, während mein Meister andere Pläne ins Rollen brachte. Das wäre ein sehr gefährliches Spiel. »Weißt du«, sagte ich, während ich an Contessas Frisur arbeitete, »du solltest wirklich nicht so schroff zu Alex sein.«
Sie senkte den Kopf, und das Haar entglitt meinen Fingern. »Er mag mich nicht«, sagte sie leise.
»Doch«, entgegnete ich. »Deshalb neckt er dich ja so.«
»Ja, aber ich mag ihn nicht.« Sie presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. »Ich liebe Thadd.«
Oooh, dachte ich, meine Brauen hoben sich und meine Finger erschlafften, als ich endlich die andauernden Streitereien der vergangenen drei Wochen verstand. Contessa mochte den Prinzen, und sie benahm sich ihm gegenüber scheußlich, um ihrer ersten Jugendliebe treu zu bleiben.
Tief in Gedanken versunken zog ich den geflochtenen Zopf hoch, drehte ihn auf ihrem Kopf ein und verwob ihn mit den Ringen, die ihn festhalten würden. Ich hätte es nicht ertragen können, Contessa und Alex voneinander entfremdet zu sehen, wenn die Chance auf eine echte Ehe bestand. Die Alternative waren gestohlene Augenblicke mit anderen Liebhabern in irgendwelchen Ecken des Palastes, stets voller Scham und Angst vor schwatzhaften Zungen. Eine königliche Ehe, die auf Liebe beruhte, konnte ein großes Reich erschaffen. Sie hatte schon ein großes Reich erschaffen. Und sie konnte allzu leicht durch die Liebe eines anderen Mannes ruiniert werden.
Die Erinnerung an meine Eltern schnürte mir die Kehle zu. Ich schluckte den Kloß herunter und ließ die Hände von ihrem Kopf sinken, um die Spitze an ihrem Kragen zurechtzustecken. »Alex hat dich in dem Wissen geheiratet, dass er eine reine Zweckehe eingeht«, sagte ich vorsichtig. »Dass du nichts für ihn empfindest. Hat er … hat er dich berührt? Bist du deshalb so garstig zu ihm?«
Contessa errötete so tief, dass ein Sonnenuntergang sie beneidet hätte. »Nein.«
Ich schwieg einen Moment lang, denn ihre Antwort klang halbherzig. »Möchtest du das denn?«, fragte ich schließlich.
»Nein!«, antwortete sie ein wenig zu schnell. »Ich liebe Thadd.«
Ich biss die Zähne zusammen, weil meine Gedanken einen bitteren Beigeschmack angenommen hatten. Auch ich hatte mir Sorgen über das Verhältnis zu meinem zukünftigen Ehemann gemacht, als ich noch geglaubt hatte, ich sei die Kronprinzessin von Costenopolis. Und bei mir hatte es nicht einmal die Komplikation einer bereits bestehenden Liebe gegeben. Contessa war von Nonnen großgezogen worden, ohne zu wissen, wer sie war, und in der Erwartung, ein provinzielles Leben mit einem Steinmetz-Lehrling zu führen.
»Ich will nicht darüber sprechen«, sagte Contessa unvermittelt und hob den Spiegel, um sich anzusehen, was ich mit ihrem Haar gemacht hatte.
»Gib ihm doch eine Chance«, flüsterte ich und ließ die Hände sinken. »Er hat seine Geliebte zurückgelassen, obwohl niemand ein Wort darüber verloren hätte, wenn er sie mitgebracht hätte. Er hat selbst kein Wort über dich und Thadd verloren, obwohl du Alex’ Gefühle kaltherzig missachtet und verletzt hast, indem du deine Beziehung mit Thadd ganz offen zur Schau gestellt hast. Alex wünscht sich keine lieblose Ehe, aber du trampelst seine Gefühle in den Staub wie zarte Blüten und ignorierst seine Versuche, mit dir eine richtige Ehe aufzubauen. Er hat den Verlust seiner Geliebten akzeptiert und verhält sich wesentlich ehrenhafter, als du von ihm erwarten kannst.«
»Das weiß ich«, fuhr sie mich beinahe an, und da wusste ich, dass ich einen wunden Punkt getroffen hatte. Die feurige junge Frau saß in steinernem Schweigen vor mir. Ich sah ihr nicht an, was sie dachte. Ich kannte sie erst seit wenigen Monaten, und wenn sie so versteinerte wie jetzt, ließ sich nicht abschätzen, was sie als Nächstes tun würde – etwa in Tränen ausbrechen oder auf mich losgehen und mir die Haare ausreißen. Das war schon vorgekommen.
Langsam hob ich die Hand zu meinem eigenen, einfachen Haarknoten und stach mir absichtlich den Finger an einem der Giftpfeile, die ich nun wieder darin trug, seit ich erfahren hatte, dass Jeck an Bord war. Der scharfe Stich war mir vertraut, und mir verschwamm alles ein wenig vor den Augen, während
Weitere Kostenlose Bücher