Die gesandte der Köingin Tess 2
Magen war verkrampft vor Sorge. »Du wirst es tun.«
»Ich kann nicht!«
»Du hast das Schwert eines Prinzen von Misdev ins Meer geworfen. Du wirst alles tun, was ich gesagt habe.«
Sie schloss die Augen, und eine Träne kullerte unter den dunklen Wimpern hervor. Ich erstickte meine Eifersucht bei dem Gedanken, wie sehr sie unserer Mutter ähnelte: zierlich, anmutig und blass, willensstark und eigensinnig, aber schutzbedürftig. Ich war zu groß, um als zierlich zu gelten, meine Haut war dunkel, und meine weiblichen Rundungen waren bestenfalls angedeutet. Dass ich mich selbst schützen und reiten konnte wie ein Mann, war da oft ein geringer Trost.
Contessa nickte mit geschlossenen Augen zum Zeichen dafür, dass sie meinen Rat annahm. Sogleich war ich besänftigt. »Aber Contessa?«, sagte ich, und sie öffnete die Augen. »Ich verspreche dir eines: Wenn es dir aufrichtig leidtut, wird er es merken, und er wird es nicht über sich bringen, die Hand gegen dich zu erheben. Wahrscheinlich wird er dich noch um Vergebung anflehen, weil er dich beinahe ertränkt hätte. Nicht, dass du das verdient hättest«, fügte ich säuerlich hinzu.
»Aber was, wenn er es doch tut? Wenn er mich schlägt?«
Ihre Frage war ein angsterfülltes Flüstern, und ich runzelte die Stirn. »Dann hat er die Aufrichtigkeit in deiner Stimme nicht gehört, und du hast die Schläge verdient.« Sie blinzelte heftig gegen neue Tränen an, und ich kniete mich entnervt vor sie hin und nahm ihre Hände in meine. Sie waren sehr kalt. »Du bist mit dieser Situation völlig falsch umgegangen«, schalt ich sie sanft. »Schon im nächsten Hafen wird sich herumsprechen, dass man dich leicht reizen kann und du im Zorn Fehler machst. Dieser Abend ist das Zünglein an der Waage, die einzige Gelegenheit für klärende Worte, ehe andere Alex’ Urteilsvermögen trüben.« Sofern Jeck das nicht schon geschafft hat. »Lass nicht ein ganzes Königreich unter deinem Stolz leiden«, sagte ich und versuchte, ihren Blick aufzufangen. »Er ist ein guter Mann. Du hast das Andenken von Mutter und Vater beschämt, indem du seine Ehre in Frage gestellt hast.«
Sie ließ den Kopf hängen, und ich dachte, wie leicht ich mich doch damit tat, gute Ratschläge zu erteilen. Ich, die ich meines Stolzes wegen beinahe mein Königreich in einen Krieg gestürzt hätte, weil ich geschworen hatte, Alex’ Bruder zu töten, um den Mord an unseren Eltern zu rächen. Ich hätte es auch wirklich beinahe getan, aber Jeck hatte mich davon abgebracht. Jeck-den es immer noch nach den Schiffen und Wäldern von Costenopolis gelüstete und der vermutlich in diesem Augenblick Alex’ Ohr vergiftete.
»Es tut mir leid«, flüsterte Contessa, und eine weitere Träne kullerte den schon markierten Weg über ihre Wange hinab. Sie hob die Hand, um sie wegzuwischen, und sah mich kurz mit ihren tiefblauen Augen an.
Ich stand auf und reichte ihr ein weiches Tuch. »Das sollte es auch.« Ich trat hinter sie und fasste ihr Haar zu einem dicken Strang zusammen; da es nun den Anschein hatte, als würde ich es schaffen, mein Königreich einen weiteren Tag lang intakt zu halten, war ich gleich entspannter. »Also«, sagte ich. »Ich werde dir das Haar so hochstecken, wie Mutter es immer getragen hat. Wenn du schon vor ihm am Boden kriechen musst, kannst du dabei wenigstens hübsch aussehen.«
Ein kleiner Laut entschlüpfte ihr, teils Erleichterung, aber vor allem besorgte Resignation. »Zum Teil hat allerdings auch er Schuld«, sagte sie schmollend. »Ich bin ja weggegangen, aber er ist mir gefolgt. Ich habe gesagt, er solle aufhören, aber das hat er nicht.«
»Er trägt die meiste Schuld«, stimmte ich zu, und sie hob den Kopf, sichtlich überrascht.
»Aber du hast mir doch gesagt, ich soll …«
Ich nickte. »Er ist schuld, weil er dich über die Maßen gereizt hat. Aber du hast sein Schwert ins Meer geworfen. Dein Rang ist höher als der seine. Also liegt die Schuld bei dir.« Ich teilte ihr üppiges, seidiges Haar in drei Stränge. »Ich hätte ihm vermutlich die Faust in den Magen gerammt und ihn an den Hauptmast gefesselt. Das hätte sich durch nichts in der Welt wiedergutmachen lassen.«
Sie lachte, doch es klang gezwungen und endete in einem Seufzer. Ich begann ihr Haar zu flechten und arbeitete dabei seidene Ringe ein. Ich würde sie aussehen lassen wie einen Engel. Alex hatte keine Chance, ganz gleich, was Jeck ihm einflüstern mochte.
Streng genommen war Alex meine Figur, mit der nur ich
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