Die gesandte der Köingin Tess 2
hintergangen, und er sorgte sich um mich? Ich schüttelte den Kopf und konnte den Blick nicht weiter heben als bis zu seinen starken Händen, die die Zügel hielten. Der goldene Ring an seinem Finger glänzte und zog meinen Blick auf sich, bis er mir durch die Bewegung der Pferde entglitt. Er hatte mir diesen Ring einst als Beweis dafür gegeben, dass ich die rechtmäßige Spielerin von Costenopolis war – er hatte darauf vertraut, dass ich das Spiel für ihn gewinnen und ihm den Ring zurückgeben würde.
Meine Schultern hoben sich vor innerer Pein. So etwas würde nie wieder geschehen. Selbst wenn ich es irgendwie schaffen sollte, meinen Giftpegel zu senken, konnte ich dennoch nicht seine Schülerin bleiben. Ich hatte das Vertrauen meines Meisters verloren.
»Tess?«, fragte Kavenlow noch einmal, und ich zuckte zusammen, als er eine tröstende Hand auf meine Schulter legte.
»Ich kann nicht«, flüsterte ich. »Kavenlow, ich kann nicht.«
Langsam ließ er die Hand sinken. »Wir reden später darüber«, sagte er sanft. Ein unbehagliches Schweigen breitete sich aus. Es schnürte mir die Kehle zu, und ich zwang mich, den Blick zu heben und ihn an die Türme des Palastes zu heften, die Licht und Versprechungen ausstrahlten. Ich holte tief Luft und hielt sie lange an, ehe ich sie zittrig wieder ausstieß.
Alex und Contessa ließen sich zurückfallen, um mich zu zwingen, an der Unterhaltung teilzuhaben, ob ich wollte oder nicht.
»Kanzler?«, begann Alex und beugte sich an Jeck und mir vorbei. »Was habt Ihr auf dem Piratenschiff gefunden? Wie viele Männer wurden verwundet, als Ihr es erobert habt? Nicht viele, hoffe ich.«
Kavenlows Auge zuckte ein einziges Mal. Sein Schnauzer begegnete dem übrigen Bart, so besorgt presste er die Lippen zusammen. »Nicht ein einziger, Prinz Alex«, antwortete er. »Wir haben die Kellys Saphir vor Anker liegend gefunden, die Mannschaft bewusstlos und bereits für uns gefesselt.«
»Duncan?«, riet Contessa, und vermutlich hatte sie recht. »Er hatte gar nicht die Absicht, auf das Schiff zurückzukehren. Die Piraten in der Hütte wurden ebenfalls vergiftet. Hauptmann Jeck hat uns erzählt, dass er sie aus den Flammen retten musste.«
Jeck biss die Zähne zusammen und lockerte den Kiefer wieder. Die Männer waren mit seinem Gift außer Gefecht gesetzt worden, das sie ihm gestohlen hatten, ehe sie mein Schiff niedergebrannt hatten. Und Duncan hatte gewusst, was das Gift bewirkte, was wir ebenfalls mir zu verdanken hatten. Jeck hatte sichtlich Mühe, sich zu fassen. »Ich glaube, wir können davon ausgehen, dass Duncan und Kapitän Rylan zusammengearbeitet haben. Duncan hat die Mannschaft an Bord vergiftet, und Kapitän Rylan hat sich um den Teil der Piraten gekümmert, die an Land gekommen waren, um das Lösegeld zu holen.«
»Er heißt Lan«, flüsterte ich, und meine Stimme klang furchtbar heiser. »Er ist kein Kapitän. Er ist ein Dieb. Smitty ist der wahre Kapitän. Lan hat die Piraten angeheuert, obwohl er natürlich von Anfang an nicht vorhatte, ihnen einen Teil der Beute zu überlassen. Er hat nur nicht damit gerechnet, dass Duncan ihm genau das Gleiche antut.«
Niemand sagte etwas darauf. Die Pferde trotteten weiter, ahnungslos und gleichgültig. Hinter uns unterhielten sich die Männer und tauschten fröhlich ihre Ideen aus, was sie mit Duncan anstellen würden, falls sie ihm irgendwo im Dunklen begegnen sollten. Mir war schlecht, und ich war erschöpft bis ins Mark.
Kavenlow schnaubte leise. »Er hat uns alle getäuscht, Tess. Lade dir nicht alle Schuld allein auf.«
Der Atem stockte mir vor plötzlichem Kummer. Ich hatte geglaubt, dass er mich liebte. Der Wind in meinem Kopf lachte und brabbelte. Er hat dich nie geliebt. Er hat dich nie geliebt. Er hat dich belogen und benutzt. Er hat dich nie geliebt.
Ich ließ den Kopf hängen, hielt den Atem an und kümmerte mich nicht mehr darum, dass die anderen mir meinen Schmerz ansehen konnten. Die Stimme in meinem Kopf kicherte und gackerte, lachte mich aus für meine Dummheit und sagte mir immer wieder, dass sie mich ja gewarnt hätte – aber ich hatte nicht auf sie gehört. Um mich herum frischte eine abendliche Brise auf, die vom Meer heraufwehte, die Mähnen der Pferde flattern ließ und an Contessas mit grünen Flecken verunziertem Kleid zupfte, ehe sie wieder erstarb.
Ich leerte meinen Geist und zwang die Stimme, ebenso leer und still zu werden wie mein Verstand. In dieser Apathie fand ich eine unerwartete Kraft,
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