Die gesandte der Köingin Tess 2
er gesagt hat, dass er mich liebt. Er hat mir nur das Leben gerettet, damit ich ihm das Lösegeld bringe, nachdem ich ihm gesagt hatte, dass Contessa es verboten hat – ich war die Einzige, die es ihm trotzdem beschaffen konnte. Ich habe Kavenlow belogen!«, heulte ich, beschämt und zur Närrin gehalten von Duncan. »Ich habe seinetwegen Kavenlow belogen, und wofür? Für das hier?«
»Ganz ruhig«, flüsterte er, und sein Griff wurde sanfter, als ich zu zittern begann. »Alles wird gut, Tess. Lass den Wind gehen.«
»Er hat mich benutzt«, fuhr ich fort. »Er wollte nur das Geld. Er hat mich hierhergeschickt, in den Tod. Er ist nicht zurückgekommen. Ich habe nach ihm gerufen, und er ist nicht gekommen …«
»Ich weiß«, murmelte er, und die Finger, die sich an meinen Kopf pressten, lockerten sich. »Du hast es überlebt. Du bist stark, Tess. Lass dich davon nicht brechen.«
Ich rang zittrig nach Atem und roch sein Lederwams und den brackigen Gestank der Ebbe über den scharfen Brandgeruch hinweg. Seine Arme waren warm und sicher um mich geschlungen und gaben mir etwas Wirkliches, auf das ich mich konzentrieren konnte. Allmählich erkannte ich, dass der Wind beinahe abgeflaut war. Geistig und körperlich völlig erschöpft, lehnte ich den Kopf an seine Schulter und lauschte dem Knacken der letzten Flammen und dem Plätschern des Wassers, das sich langsam mit der Ebbe zurückzog.
»Warum?«, krächzte ich. Die brennenden Bäume rauschten, der Wind vergaß mich und sauste aufs Meer hinaus, um mit den Rochen zu spielen. Um uns herum stank es nach brennendem Wald, doch hier im Bach waren wir sicher. »Ich dachte, er liebt mich«, sagte ich, den Blick auf das dreckige Wasser gerichtet, das um uns herumwirbelte und meine Tränen mitnahm. »Warum hat er mir das angetan?«, hauchte ich, ohne eine Antwort zu erwarten. »Warum?«
Jeck drückte mich kurz an sich. »Ich weiß es nicht.«
26
Der weiche Hufschlag unserer Pferde wurde fast vom vermodernden Laub geschluckt, und das Rascheln des Windes in den Baumwipfeln verhöhnte mich. Ich saß gefühllos da, die schlaffen Zügel entglitten beinahe meinen Fingern, und nur eine Art Instinkt hielt mich aufrecht, während wir langsam zur Hauptstadt zurückkehrten. In meinem Ohr heulte die erbarmungslose Stimme des Windes, der immer noch in mir gefangen war. Seine Botschaft, sonst so undeutlich und verschwommen, war jetzt klar und schmerzlich.
Er verspottete mich und sagte mir, dass Duncan mich nicht liebte, immer wieder. Erst war es nur ein Flüstern, dann steigerte er sich zu einem glucksenden Lachen, um darauf wieder auf ein gemeines Raunen abzusinken, doch er hörte nie damit auf. Duncan liebt dich nicht. Das war eine Warnung, die ich zu spät gehört hatte. Ich hatte mich ihr verschlossen und dem Wind nicht glauben wollen. Niemand hatte mir gesagt, dass man die Wahrheit im Wind hören konnte, und nun war die Wahrheit in meinem Kopf gefangen.
Vor mir ritten Contessa und Alex gemeinsam auf einem Pferd. Der Prinz hatte die Arme um sie geschlungen und hielt sie liebevoll so, dass ihre beiden Füße auf einer Seite des Tieres herabhingen, wie es sich gehörte. Ihre leise Unterhaltung konnte ich nicht verstehen, ich hörte nur das gelöste Auf und Ab ihrer Stimmen, die sich vermischten. Jeck ritt hinter mir auf einem der drei Pferde, die hinter dem Wagen angebunden gewesen waren. Alex, ein hervorragender Reiter und Pferdekenner, hatte sie alle eingefangen, nachdem er mit Contessa aus der Hütte geflohen war.
Weiter hinten waren der quietschende Wagen und die lauten Stimmen von Jecks Männern zu hören. Es waren viel mehr als die vier, die er mit Kavenlow abgesprochen hatte, und sie gingen zu Fuß, weil sie zu den Truhen voller Gewürze noch die halb bewusstlosen Piraten auf den Wagen geladen hatten. Die meisten von ihnen waren inzwischen wach, konnten sich aber nicht daran erinnern, dass Jeck sie aus dem brennenden Haus gezogen hatte, ehe er mich auf den Knien auf der Veranda entdeckt hatte. Von Kapitän Rylan war keine Spur zu finden gewesen, doch er war gewiss zu schlau, als dass er bei dem Brand ums Leben gekommen wäre.
Ich war erschöpft und zutiefst beschämt. Doch anscheinend hatte ich den Puntatraum abgewandelt: Ich saß nicht als Gefangene vor Jeck auf dem Pferd; Alex und Contessa waren bei uns, und die Piraten waren gefangen. Duncans Verrat hatte mein Herz als durchweichten Lumpen zurückgelassen, und ich fühlte mich jämmerlich. Aber meine
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