Die gesandte der Köingin Tess 2
einsetzen müssen, nachdem ich mein zu kurzes Kleid, Penelopes inzwischen zerschlissenes Tuch und die Stiefel angezogen hatte. Damit war ich von der Frau, die am Haupttor des Palastes Süßigkeiten verteilte, zu einer von denen geworden, die sich über die seltenen Köstlichkeiten freuten. Meine beiden schwarzen Pferde waren am Nachmittag heimgekehrt, auf einem der nutzlosen Kriegsschiffe, die uns auf unserer katastrophalen Seereise begleitet hatten. Jys beschlagene Hufe klapperten beruhigend hinter mir her, während ich ihn durch die Straßen führte.
Ein immer lauter werdendes Geratter ließ mich abrupt anhalten, wo der Pfad auf die Straße stieß. Jy schnaubte nervös, und ich zog meinen Umhang fester um mich. Die Leute vor uns stoben auseinander. In waghalsiger Schieflage und unter lautem Geschrei donnerte eine schwere Kutsche voller Leute an uns vorbei. Der Kutscher trieb ein überlastetes Stadtpony in wilder Jagd vor sich her. Die Umstehenden jubelten der Kutsche entweder zu oder verfluchten sie, ehe sie weiterfeierten. Binnen sechs Herzschlägen war es ganz so, als hätte es die Kutsche nie gegeben, und auf der Straße drängten sich so viele Menschen wie zuvor. Mein Puls beruhigte sich allmählich wieder, und ich rüttelte mich aus meiner Betäubung, ehe sie mir noch den Tod brachte. Jy stupste mich mit der Nase an und schob mich beinahe auf die Straße hinaus.
»Langsam, Jy«, sagte ich, hielt ihn am Kopf und bezog Kraft aus seinem nebelfeuchten, warmen Fell, das nach Heu und Leder roch. Ich sammelte mich, blickte die Straße auf und ab, um sie zu überqueren, und dann blieb mir das Herz stehen beim Klang vertrauter Glöckchen.
Es war Rylan, der sich in unverhohlenem Zorn durch die lärmende Menge drängte, einen Umhang aus Öltuch über dem verblassten Rock und einen eckigen Hut auf dem Kopf. Seinem angespannten Gang nach war er auf der Suche nach Duncan und vermutete, dass der Falschspieler das Chaos auf den Straßen nutzen würde, um ein, zwei Münzen von seinem frisch erworbenen Reichtum auszugeben.
Ich holte tief Luft, um Alarm zu geben, hielt dann aber inne. Vor Unentschlossenheit tat mir der Kopf weh. Wenn ich mir jetzt die Mühe machte, ihn gefangen zu nehmen, würde ich mich um die Chance bringen, noch heute Nacht mit Duncan zu reden. Bis morgen würde er schon zu weit fort sein, als dass ich ihn aufspüren könnte.
Ich ließ mich wieder an Jy sinken und versteckte mich hinter ihm, für den Fall, dass Rylan in meine Richtung blicken sollte. Wenn er Duncan hier noch nicht gefunden hatte, dann stimmte meine Vermutung, dass er die Stadt schon verlassen hatte.
Sobald Rylan wieder von den feiernden Massen verschluckt worden war, schwang ich mich auf Jys Rücken und ignorierte die umstehenden Männer, die zu viel getrunken hatten, und ihr Gejohle und die anzüglichen Bemerkungen zu meiner Reitweise. Mit flammenden Wangen ließ ich Jy auf den Hinterhufen herumwirbeln und drückte ihm die Fersen in die Seite. Er streckte sich und raste die Straße entlang, im Kielwasser der ratternden Kutsche.
Die begeisterten Rufe der Männer verklangen bald hinter mir, und ich bemerkte nur noch verschwommene, vom Alkohol gerötete Gesichter und gelb schimmernden Nebel um Freudenfeuer. Fetzen von Liedern und Gesprächen schwollen an und ab. Vertraute Gebäude kamen und gingen. Jy war flink, wendig und klug und zeigte seine gute Ausbildung als Schlachtross, während er ohne jede Anweisung von mir Menschen und Karren auswich, glücklich über die Chance, richtig zu rennen.
Seine mit Eisen beschlagenen Hufe klapperten laut auf dem Pflaster, und ich legte mich in die Kurve, als Jy um eine Ecke schlitterte und auf die Straße hinausschoss, die zum Osttor führte. Es lag offen vor mir, und die Wachen unterhielten sich entspannt an ihrem wärmenden Feuer. Ich wusste, dass ich ohne großen Aufwand an ihnen vorbeigelangen würde, wenn ich anhielt und kurz mit ihnen sprach, doch das tat ich nicht. Das Bedürfnis, Duncan zu finden, verzehrte mich, und ich donnerte an der Wachstube vorbei hinaus in die Nacht, gefolgt von gutmütigen Rufen und Ermahnungen, langsamer zu reiten, damit mein Pferd sich kein Bein brach.
Befreit von den tausend Stimmen in der Stadt, spürte ich, wie mein Geist sich ausdehnte. Jys Hufschlag glich dem Schlag meines Herzens. Seine Lunge schien für mich zu atmen. Ich war ein Punkt völliger Stille auf seinem Rücken, in der Schwebe zwischen gestern und heute. Ich würde nicht weiterleben können, ehe
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