Die gesandte der Köingin Tess 2
eigentlichen Fehler erkannte: Ich war von jemandem manipuliert worden, mit Hilfe von Gefühlen, die ich für zu heilig hielt, als dass man sie für solche Intrigen missbrauchen durfte. Nie wieder. Nicht, dass das noch eine Rolle gespielt hätte.
Die neblige Brise zupfte an meinen angesengten Haaren, und ich hob den zornigen Blick von der harten Linie der Palastmauer vor dem Nachthimmel. Plötzlich erschien sie mir wie die Mauer der Selbsttäuschung, die ich um mich errichtet hatte, um mich selbst zu blenden, während ich nach einem Glück suchte, das ich doch nie haben konnte. Plötzlich überkam mich ein schreckliches Gefühl der Enge. Mit pochendem Herzen stand ich auf. Aus dem Schatten kam Banner langsam auf mich zugetrabt, als er sah, dass ich mich bewegen wollte. Ich musste hinaus, hinaus aus diesen Mauern.
Während ich den Stein, der mich gefangen hielt, mit beinahe hungriger Inbrunst anstarrte, begriff ich, was Kavenlow damit gemeint hatte, dass ich keine festen Bindungen eingehen könne. Ich hatte gedacht, es ginge darum, dass es mich angreifbar machen würde, weil derjenige, den ich liebte, als Druckmittel gegen mich benutzt werden konnte. Dass die Menschen, die ich liebte, stets in Gefahr schweben würden, wenn ein rivalisierender Spieler herausfand, dass sie mir viel bedeuteten und ich mein Spiel opfern würde, um sie zu retten. Doch es konnte ebenso bedeuten, dass jemand, den ich liebte, meine Gefühle zu seinem Vorteil ausnutzen konnte. Genau wie Duncan. »Qualmende Schohgruben«, flüsterte ich und spürte, wie meine Kehle zitterte, als ich ausatmete. Endlich begriff ich. Aber diese Einsicht kam viel zu spät.
Bei meinem leisen Fluch hob Contessa den Kopf. »Tess?«
Mit drei Schritten war ich bei ihr. Sie sah mich mit einem merkwürdigen Blick an, als ich mich über sie beugte, ihre Hände nahm und sie auf die Füße zog. »Ich muss für ein Weilchen nach draußen«, sagte ich und spürte, wie kalt und feucht ihre Finger vom taunassen Gras waren.
Ihre Augen weiteten sich kaum sichtbar in der Dunkelheit. »Du willst den Palast verlassen?«
Ich nickte und drückte ihre Hände. »Ich komme ohne Weiteres durchs Tor, aber ich bitte dich, Kavenlow und jedem anderen, der nach mir fragt, zu erzählen, dass ich irgendwo vor mich hin brüte und nicht gestört werden will.«
»Ich soll … für dich lügen?«, stammelte sie, wich zurück und legte erschrocken eine Hand an die Wange. »Warum?«
»Königinnen müssen hin und wieder lügen«, erwiderte ich grob, weil ich endlich wegwollte. »Sonst befände sich die Welt ständig im Krieg.«
»Das weiß ich«, fuhr sie mich an, ebenso leicht reizbar wie ich. »Ich habe auch nichts gegen eine Lüge einzuwenden, wenn sie einem guten Zweck dient und niemandem schadet, aber ich werde nicht lügen, wenn ich nicht weiß, wozu eigentlich.«
Erschrocken – und nicht ganz sicher, ob ich mit ihrer Philosophie einverstanden war – blickte ich hinter sie ins Gebüsch. Mein Blick hob sich zu der vertrauten Mauer, dann weiter in den mondhellen Nebel darüber. »Ich muss Duncan suchen.«
28
Den Kopf gegen den kalten Nebel gesenkt, hielt ich auf das Stadttor zu, unberührt vom Jubel des spontanen Festes, das in der ganzen Stadt gefeiert wurde. Es war schon lange nach Sonnenuntergang, doch das hätte man nie vermutet, so viele Fackeln und Freudenfeuer loderten auf den Straßen. Die Leute verbrannten alles, vom Holz, das für morgen zum Kochen gedacht gewesen war, bis hin zum alten Stroh aus den Betten, um die Rückkehr ihrer Königin und ihres Prinzen zu feiern. Der Nebel tat der Feierlaune auch keinen Abbruch, er reflektierte nur den Feuerschein und verlieh der Nacht festlichen Glanz. Essen und Branntwein gab es reichlich, und alles wurde großzügig geteilt, doch mich sah niemand. Ich fühlte mich entrückt, unwirklich – ich hörte ihren Jubel, konnte aber ihr Glück nicht teilen. Ich musste Duncan finden. Nichts würde von Bedeutung sein, ehe ich ihn nicht gefunden hatte.
Ich musste ihn zur Rede stellen und ihm sagen, dass ich nicht leiden würde, weil er mich nicht liebte, denn er hatte mich selbst gelehrt, dass ich zu stark dazu war; dass er ein Lügner und ein Dieb war, selbst wenn er sich von mir nichts weiter erschlichen hatte als mein Vertrauen. Und dass er mir nicht mehr wehtun konnte, weil seine Liebe so wertlos war wie eine Kelle voll Salzwasser.
Aus dem Palast zu entkommen, war ganz einfach gewesen. Ich hatte nicht einmal meine Magie
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