Die gesandte der Köingin Tess 2
flüsterte sie verloren. »Ein letztes Mal. Ich würde ihn bitten … ihn bitten …« Sie verstummte und schloss die Augen. Das Licht aus dem Turm schimmerte auf einer neuen Träne, die ihr über die Wange lief. »Ich weiß nicht, worum ich ihn bitten würde«, sagte sie schließlich. »Vielleicht würde ich ihm auch nur sagen, dass es mir leidtut, dass ich ihn liebe und immer lieben werde.«
»Das weiß er schon«, flüsterte ich und dachte an Duncan. War das alles bloß ein Spiel für ihn gewesen, oder hatte er mich geliebt … nur eben etwas weniger, als er sein Geld liebte? Der Wind frischte auf und raschelte in den Blättern. Ich erschauerte und hörte zu, wie er mich verhöhnte. »Contessa«, begann ich zaghaft. »Hast du gespürt … als du Alex heute geküsst hast … hast du da spüren können, ob er dich liebt? Wie er Rosie geliebt hat?«
Sie schlug die Augen nieder, als ihr klar wurde, dass ich gesehen hatte, wie sie unter Deck des Piratenschiffes Rosie gespielt hatte. Ihre verlegene Bewegung drückte Scham aus. »Ja«, flüsterte sie. »Es war genau so. Er liebt mich.«
Contessas Augen waren nass, als sie zu mir aufblickte. »I-ich wollte mit ihnen sprechen«, sagte sie, und ihr Blick huschte zu den flachen Grabsteinen auf dem gepflegten Rasen.
»Soll ich lieber gehen?«
Sie schüttelte ernst den Kopf, und ich beobachtete ein wenig verlegen, wie sie aufstand und sich mit der Anmut eines Engels vor die Steinplatten kniete. Zwischen den hauchzarten Nebelschwaden sah sie aus wie eine von Thadds in Liebe geschaffener Statuen.
Wie kann es falsch sein, jemanden zu lieben?, hallte mir ihre verwirrte Frage durch den Kopf. Wie kann das falsch sein? Ich wandte den Blick von ihren Lippen ab, die sich im stummen Gebet bewegten. Ja, wie war das möglich? Aber es war gewiss nicht richtig von mir gewesen, Duncan zu lieben.
Habe ich ihn denn geliebt?, hallte es in mir wider, und während mein Herz kummervoll mit Ja antwortete, stellte ich fest, dass dieser Schmerz neuerdings von Zorn begleitet wurde – Zorn, weil er mich um des Geldes willen benutzt hatte, Zorn, weil ich so blind gewesen war und nicht hatte bemerken wollen, dass er mich mit Hilfe einer Waffe manipulierte, die zu benutzen ich nicht bereit war. Der Zorn fühlte sich besser an als der Schmerz, und ich hielt mich daran fest und sah zu, wie die Blüten der Prunkwinden in einer sanften Brise zitterten. Aus der Tiefe meiner Gedanken lachte der Wind und drängte mich weiter. Wenn er mich nur wütend genug machen konnte, würde ich die Beherrschung verlieren, das wusste er, und dann würde er die Freiheit erlangen. Das wäre ihm schon heute Nachmittag gelungen, wenn Jeck mich nicht wieder einmal aus dem Wahn zurückgeholt hätte. Das schmeichelnde, hinterhältige Geplapper zügelte meine Wut, und dennoch spürte ich, wie mein Herz schneller schlug und meine Muskeln sich spannten.
Niemand hatte Duncan gefunden. Der Suchtrupp hatte sein leeres Ruderboot nicht weit entfernt von der Hütte entdeckt, und ein Schwall zorniger Kraft ließ meine Finger zittern, als mir klar wurde, dass er meine Schreie gehört haben musste und dennoch nicht umgekehrt war. Er hatte eine unübersehbare Spur tief eingesunkener Fußabdrücke hinterlassen, wo er die schweren Säcke zu zwei wartenden Pferden geschleppt hatte.
Die tiefen Abdrücke der Pferde wiederum hatten in den Fluss geführt, wo die Ebbe alle weiteren Spuren davongespült hatte. Ich vermutete, dass eines der Pferde Tuck gewesen war, Duncans Wallach. Das würde jedenfalls erklären, warum das Tier im Stall fehlte. Auch das zweite Pferd hatte Duncan zweifellos aus den Stallungen des Palastes – er musste es gestohlen haben, als er uns Rylans Forderungen überbracht hatte. Dann war er ungehindert mit den beiden Pferden zum Palasttor hinausspaziert, vorbei an den Wachen, die ihn kannten und darauf vertrauten, dass er gewiss nicht ohne Erlaubnis zwei Pferde aus dem Palast mitnehmen würde.
Ich biss die Zähne zusammen und hielt den Atem an. Duncan hatte meine Gefühle in jener Nacht so schamlos ausgenutzt, mit ihnen gespielt, mich glauben lassen, sein Leben sei in Gefahr und er bringe ein edles Opfer. Und deshalb hatte ich Kavenlow hintergangen und dafür gesorgt, dass das Lösegeld, das Kavenlow nicht hatte übergeben wollen, doch in Duncans diebische Hände geriet. Und das alles war ein Leichtes für ihn gewesen.
Dumm, so dumm, schalt ich mich selbst, doch mein Kummer schien ein wenig nachzulassen, als ich meinen
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