Die gesandte der Köingin Tess 2
gefragt, ob du dem Dschungel so schnell verfallen bist, aber das? Das gefällt mir. Und da du sie am besten kennst, wirst du mir sagen, wie lange sie vermutlich am Leben bleiben wird, hm?«
Duncan nickte und warf keinen Blick zurück, als er Kapitän Rylan zu den Hütten begleitete. Ich musste an dem Glauben festhalten, dass Duncan mir damit die Chance geben wollte, die ich brauchte, aber trotzdem schlängelte sich die Angst in meine Seele.
Als spürte es meine Furcht, kreischte das Tier – es hörte sich an wie ein verletztes Kind, das Rache will. Ich hatte keine Ahnung, was für ein Geschöpf das war, und heute Abend würde ich dagegen kämpfen müssen.
8
Der Sand war unter meinen Füßen rasch kalt geworden, nachdem die Sonne hinter dem dichten Urwald verschwunden war. Ich fror in meinem zerrissenen Kleid, und meine Arme schmerzten bei jedem unwillkürlichen Zittern. Die Männer hatten mich hängen lassen und einfach ignoriert, während sie eine Ziege geschlachtet und geröstet hatten, und eine trunkene Feierstimmung hing dick und schwer in der Luft. Vor Müdigkeit sank mir immer wieder der Kopf auf die Brust, und ich versuchte zwar zu schlafen, aber der Zug in meinem Rücken hielt mich wach – der stechende Schmerz strahlte bei jedem Atemzug von meinen Schultern aus.
Dass die Kriegsschiffe uns hier finden könnten, war eine schmale Hoffnung, eigentlich unmöglich. Wir hätten überall sein können, und die Begleitschiffe waren bis zur Flut hinter den Untiefen gefangen gewesen, so dass unsere Entführer viele Stunden Vorsprung gehabt hatten.
Die gesamte Besatzung – bis auf die wenigen Leute, die das Schiff bewachten, und die drei missmutigen Männer bei Contessa und Alex – feierte und zechte am größten der Lagerfeuer. Die Leute hatten Fackeln entzündet und eine auch in einer Halterung an dem Baum neben mir befestigt, so dass sie meine Reaktionen beobachten konnten, während sie einander prahlerisch mit ihren Ideen überboten, wie sie ihre toten Kameraden rächen wollten. Der Rauch der Fackel hielt die Insekten davon ab, mich allzu sehr zu zerstechen, und dafür war ich dankbar.
Ich musste doch eingedöst sein, denn mein Kopf fuhr hoch, als ich mit Sand bespritzt wurde. Kapitän Rylan stand am Rand meines sandigen Kreises, wo das harte Gras wuchs, und die Glöckchen an seinen Stiefeln klingelten. Eine Hand lag auf meinem Seil, das an einen nahen Baum gebunden war, und in der anderen hielt er eine schwarze Flasche.
Trotz der Kälte trug er den Rock offen, und seine Augen waren zwar rot gerändert, der Blick aber scharf. In Verbindung mit seinem stoppeligen Gesicht und der zusammengesunkenen Haltung wirkte er in seinem verblassten Staat doppelt so abstoßend, als wenn er Lumpen getragen hätte. Mein Blick blieb an den neuen goldenen Verzierungen hängen, die im Fackelschein an seinem Kragen und den Ärmelaufschlägen funkelten. Das war Alex’ Gold, und ich betete, er möge noch am Leben sein.
Der Kapitän hatte mich vorhin schon einmal gestört, kurz nach Sonnenuntergang, und mich angespannt und nervös gezwungen, ihm Contessas Brief vorzulesen. In der sorgfältigen Handschrift meiner Schwester standen da meine Vergangenheit und Zukunft geschrieben. Die Botschaft an Kavenlow lautete, dass wir entführt worden waren, und falls er uns aufspüren sollte oder versuchte, uns zu retten, würde das Königspaar sterben. In einem zweiten Brief sollte Kavenlow erfahren, wo der Austausch des Geldes gegen die königlichen Geiseln stattfinden würde. Mein Name wurde nicht erwähnt.
Nun stand Kapitän Rylan wieder vor mir und trank einen kräftigen Zug aus seiner Flasche. Er wirkte wesentlich entspannter, war aber offensichtlich schon ziemlich betrunken. Der Grund für seine gute Laune war offenkundig: Wenn die Kriegsschiffe uns bis jetzt nicht gefunden hatten, würden sie uns auch nicht mehr finden.
»Duncan ist ganz versessen darauf, dir das Leben zu retten«, sagte er anstelle einer Begrüßung. Seine Sprechweise war sanft und präzise, und von dem derben Gossenakzent von vorhin war nichts mehr zu hören.
Ein Stich der Hoffnung, gefolgt von Angst, lähmte mir die Zunge. Er war mir sympathischer, wenn er nicht zu verbergen versuchte, was er wirklich war – Abschaum.
Erneut hob er die Flasche, und ich folgte ihr mit dem Blick und fuhr mir mit der Zunge über die Lippen. Den ganzen Tag lang hatte es niemand für nötig gehalten, mir Wasser oder Essen zu bringen. Die Männer am Feuer hinter
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