Die gesandte der Köingin Tess 2
einem einzigen Augenblick aus mir hervor. Ich hörte mich kreischen. Das war zu viel, und Verleugnung schob sich wie ein grauer Nebel zwischen mich und meine rasende Wut, um mich zu schützen. Aber Jeck bekam die volle Wucht zu spüren.
Er schrie auf, warf sich nach hinten und fiel rücklings in den Sand.
»Lass mich in Ruhe!«, hörte ich mich schreien und baute mich drohend vor ihm auf. »Ich lasse mich nicht betatschen! Ich bin kein Ding, das man kauft oder verkauft. Ich bin kein Kind und kein Hund, für die du die Entscheidungen triffst, weil du zu wissen glaubst, was das Beste ist! Ich treffe meine Entscheidungen, und du wirst mir deine nicht aufzwingen! Ich habe nein gesagt, und ich meine auch nein !«
Entsetzt schloss ich den Mund und schlug mir die Hand davor, als ich merkte, wie laut ich schrie. Der Zorn war fort, verbrannt. So heiß und rasend er über mich gekommen war, so plötzlich war er verschwunden, und ich fühlte mich gereinigt und befreit. Zum ersten Mal, seit ich gebissen worden war, tat mir die Schulter nicht weh, und ich stand aufrecht und ohne Schmerzen da. Jeck hingegen lag reglos vor mir im Sand.
»Jeck?«
Besorgt musterte ich meine Hände. Sie waren rot und kribbelten, als die leichte Brise darüberstrich. »Jeck?«, rief ich. O Gott. Ich habe ihn getötet.
»Jeck!« Ich fiel so abrupt neben ihm auf die Knie, dass der Aufprall meinen Rücken emporhallte und mir die Zähne aufeinanderschlug. Ich streckte die Hand nach ihm aus und riss sie zurück, als er sich bewegte. Mein Herz hämmerte, und ich glaubte, gleich in Ohnmacht zu fallen. Das Gefühl der Euphorie von gerade eben war verflogen, und das Trauma der vergangenen Tage kehrte mit donnernder Macht zurück.
»Hast du es gemerkt?« Seine Stimme klang schrecklich dünn, und er legte eine Hand über die Augen.
Ich schüttelte mich vor Erleichterung, und meine Finger zitterten. Er lebt. »Was gemerkt?«, fragte ich und ließ mich zurücksinken, als er sich herumrollte und aufsetzte, den Kopf über die Knie gebeugt. Er war mit Sand bedeckt, den er sich abklopfte, ohne mich anzusehen.
»Deine Hände«, sagte er und rang nach Luft. »Hast du beobachtet, was du getan hast? Hast du es gespürt?« Er hustete und krümmte sich, als täten ihm die Rippen weh. »Bitte sag mir, dass du es gemerkt hast.« Er holte zittrig Atem und ließ die Stirn auf die angewinkelten Knie sinken. »Ich will das nicht noch einmal machen.«
Mir wurde übel, und mein Blick flog zu meinen Händen. »Was habe ich denn getan?«, flüsterte ich verängstigt. Ich fühlte mich wie betäubt, nicht ganz ich selbst. Was habe ich getan?
Jecks braune Augen waren zusammengekniffen, als er den Kopf hob. »Du hast versucht, mich umzubringen. Heute Morgen hast du schon beinahe einen tödlichen Impuls ausgelöst, als du versucht hast, mich zu schlagen.« Er hielt die Schultern gekrümmt, zog die Beine unter sich, rappelte sich auf und starrte in die Bäume. »Du hast dich zurückgehalten, obwohl dir nicht einmal bewusst war, worauf du zusteuerst. Du bist ein halb gezähmter Wolf, Tess, der Feind wie Freund zerreißen würde, solange du nicht lernst, das zu beherrschen.«
Ich bekam keine Luft mehr. Trotz der Sonne wurde mir eiskalt. Die Wellen, die an den Strand schlugen, hallten hohl in meinen Ohren wider. Was habe ich getan?
»Ich habe den ganzen Tag versucht, dich so zu reizen, dass du es noch einmal tust«, erklärte Jeck, der sich weiterhin Sand von der Hose klopfte. »Damit du lernst, diese Kraft zu erkennen und zu beherrschen, ehe du jemanden tötest, der dir am Herzen liegt. Aber je mürrischer und verschlossener ich wurde, desto angenehmer schien dir das zu sein. Ich hätte wissen müssen, dass ich nichts weiter zu tun brauchte, als dich anzufassen.«
Mein Mund war trocken, und ich konnte nicht schlucken. »Du hast mir gerade beigebracht, einen Menschen mit bloßen Händen zu töten …« Allmählich zwang sich mir die Erkenntnis auf. Wie kann er es wagen!
Er sah mich müde an. »Ja, das habe ich.«
Zorn stieg in mir hoch, und ich reckte das Kinn. »Du hast mir beigebracht, jemanden durch Berührung zu töten.« Die zornige Glut erwachte von Neuem. Diesmal erkannte ich sie und mehrte sie ganz bewusst. Er nickte, und ich flüsterte: »Du dreckiger … widerlicher … Hafenköter.«
Jeck riss den Kopf hoch, überrascht sah er zu mir auf. »Augenblick mal …«
»Ich bin nicht dein Lehrling!«, schrie ich. Die Wärme kletterte in mir empor und fachte meine Wut zu
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