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Die Geschichte der Anna Waser (German Edition)

Die Geschichte der Anna Waser (German Edition)

Titel: Die Geschichte der Anna Waser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Waser
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gedankenvoll zu dem dunkeln Turm, der querüber auf der andern Seite der Gasse stand und mit matten Lichtern ins Fenster schaute.
    Der Amtmann lehnte sich im Stuhl zurück und nagte unmutig die dünnen Lippen. Ein blaues Äderchen zitterte erregt auf der schmalen Schläfe, was seine Frau mit Besorgnis beobachtete.
    Da öffnete sich die Türe, und Anna erschien, den kleinen Bruder an der Hand. „Er will euch gut Nacht sagen, der Heinerli,“ und sie schob ihn, der die geblendeten Augen mit den Händen bedeckte, an den Tisch.
    „Was ist, Fledermäusli,“ sagte der Fähndrich freundlich, „hast schon geschlafen, daß d’ Augen nimmer öffnen kannst?“
    „Auf der dunkeln Winde war er,“ berichtete Anna, „und hat die Stern betrachtet durch die Dachluke; jetzt muß er sich erst ans Licht gewöhnen.“
    Der Oheim legte die Pfeife weg, zog dem Knaben die beiden Händchen vom Gesicht und sah zu, wie die blinzelnden Augen nach und nach ruhig wurden und zuletzt still und groß in dem altklugen Gesicht standen. „So, Sterngucker,“ sagte er gutmütig, „und was hast alsdann gesehn dort oben? Erzähl’ eins!“
    Aber der Knabe schüttelte den Kopf und seufzte:
    „Oh, das kann man nicht sagen, so schön, so hoch.“ Und dann war ein unkindliches Flimmern in den braunen Augen, daß einem sonderbar zumute wurde.
    Der Fähndrich strich ihm über die rötlichblonden Locken, die das schmale Gesichtchen umgaben. „Sapperment,“ rief er dann halb erbost, „ist das ein Haar, daß es einem an den Fingern hängen bleibt, wie ungesponnene Seide!“ und er löste seine raue Hand aus dem zarten Gewirr. „Festere Borsten solltest haben und festere Knochen, Bub, und im Bett liegen solltest und schlafen statt die Stern begucken. Zeig mal, wie schwer geworden bist angehnds!“
    Er stand auf, hob Heini mit starken Händen über den Kopf bis zur Decke empor und stellte ihn dann enttäuscht wieder auf den Boden. „Leichte War, viel zu leicht für deine neun Jahre!“ Er setzte sich in den Lehnstuhl zurück und betrachtete den schlanken Knaben, der sich, das blasse Gesicht schmerzlich verzogen, die schmalen Schultern rieb, dort, wo des Onkels Hände ihn angefaßt hatten.
    „Was, und wehleidig auch noch!“ rief er mißmutig. „Da ist das Estherlein bei Gott ein anderer Held, wenn’s schon erst die drei Jahr zählt, das Figürchen! Kaum daß es mich sieht: ‚Onkel, Hotti machen!‘ ruft’s, und dann läßt’s nicht lugg, bis es oben sitzt. Nicht etwan auf meiner Schulter, das ist ihm zu nieder, dem Amazönchen, nein, meine Perücke herunternehmen muß ich, und grad mitts auf meinen Schädel hocken will es, und dann muß ich traben mit ihm, immer rund in der großen Stube, bis mir der Schnauf ausgeht und ich es abwerf grad von oben herunter in einem Ruck pumps hinein ins Lotterbett. Und hat keine Angst nicht und quietscht vor Wonne wie ein junges Säulein, das man aus dem Sack läßt. Ein Donnerskröttli, das Estherlein!“
    Er lachte mit dem ganzen Gesicht, und die andern nickten: „Ja, das Estherlein,“ und lachten mit. Wie wenn einer vom Frühling redet und jeder sich seine stille Freude aus dem Wort zieht, so war es, als der Name des Kindes auf eins herfürsprang.
    Nur Heini lachte nicht. „Ich mag’s nicht, das Estherlein,“ und er warf den schmalen Kopf stolz zurück. „Die schönsten Sachen nimmt es mir weg, und wann ich etwas dawider sag’, so zeigt’s mir seine Zunge, die ist ganz rot und spitz, und kann sie nicht leiden.“
    „Mußt dich halt wehren, Bub,“ sagte der Onkel lachend. „Freilich,“ fügte er dann nachdenklich bei, „schwer ist’s schon, ihm etwas abzuschlagen, dem Figürchen. Hat mir auch die silberne Medaille abgelätschelt, die ich vom Oncle Bürgermeister her hab’ und wo das Bild drauf steht von der glorreichen Ambassade. Nun spielt’s Hurlibub damit, und ich laß es gewähren und denk’ mir, ’s war auch nicht viel anders als so ein Tanz, die ganze Komödi, und freut es mich, daß es das Estherlein ist, das ihn führt, und nicht der stolze Perückenkönig.“
    Der Amtmann fuhr entsetzt auf: „Was, dem Kind gibst du sie, die wertvolle Denkmünze!“ und er zürnte: „Viel zu viel laßt ihr ihm nach, alle miteinander, seine Mutter beklagt sich auch, die Esther, daß man es ihr verwöhne. Hat ohnehin ein zu wildes Blut, sollte fester eingetan werden.“
    „Warum nicht gar,“ wehrte der Fähndrich. „Laßt das Pflänzlein gedeihen, wird allewege nicht anders als der Same, daraus

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