Die Geschichte der Deutschen
verbliebenen Teil der Tschechoslowakei ein und errichtet das Reichsprotektorat Böhmen und Mähren. Hitler hat sein Versprechen von München gebrochen, die auf der Konferenz vereinbarten Grenzen zu respektieren. Prag, von den Westmächten verlassen, beugt sich dem Druck der Deutschen und überlässt ihnen kampflos das Land. Erstmals besetzt Hitler ein Gebiet, in dem es keine Deutschen gibt, die »heim ins Reich« zu holen sind.
Nur fünf Tage, nachdem die Hakenkreuzfahne auf dem Hradschin, der Prager Burg, gehisst worden ist, stellt Berlin territoriale Forderungen an Polen, darunter die Rückgabe Danzigs. Hitler steht kurz vor dem Krieg, den er schon in seinem Buch Mein Kampf angekündigt und seit 1933 mit fast allen seinen Entscheidungen vorbereitet hat. Seine Außenpolitik bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges spielt mit einem hohen Risiko. Hätten England und Frankreich beispielsweise auf den Einmarsch in das Rheinland mit militärischen Mitteln geantwortet, wäre Berlin ohne Chance gewesen. Die Wehrmacht kann zu diesem Zeitpunkt noch kein Kräftemessen mit den Westmächten wagen. Aber Hitlers Machtinstinkt hat die Kriegsmüdigkeit der Westmächte richtig kalkuliert. So reiben sich seine Landsleute verblüfft die Augen und mit jedem neuen »Wochenendcoup« ihres Führers steigt ihre Bewunderung. Für sie hat Hitler in drei Jahren das geschafft, was die Weimarer Republik in 14 Jahren nicht durchsetzen konnte. In den Augen der Deutschen hat er die Niederlage von 1918 und den Versailler Friedensvertrag von 1919 revidiert. Nichts bringt ihm mehr Zustimmung ein als diese Erfolge. In allen Volksabstimmungen, die der Führer nach seinen außenpolitischen Handstreichen anordnet, befürworten mehr als 90 Prozent aller Deutschen seine Aktionen.
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Der Zweite Weltkrieg
Am 23. August 1939 berichten die Zeitungen von einer politischen Sensation: Die beiden ideologischen Todfeinde, das nationalsozialistische Deutschland |241| und die kommunistische Sowjetunion, haben einen Nichtangriffspakt geschlossen. Damit ist für Hitler der Weg frei zum lange geplanten Krieg. Jetzt benötigt er nur noch einen Anlass. Sieben Tage später steckt die SS einige KZ-Häftlinge in polnische Uniformen und lässt sie einen Überfall auf den Radiosender Gleiwitz vortäuschen. Hitler erklärt in der Kroll-Oper, nach dem Reichstagsbrand der Sitz des Einparteien-Reichstags: »Seit 4.45 Uhr wird zurückgeschossen.« Mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen beginnt am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg. England und Frankreich, die die Unverletzlichkeit der polnischen Grenzen garantiert haben, wiederholen nicht den Fehler ihrer »Appeasement«-Politik von 1938: Sie erklären Deutschland den Krieg. Kein Jubel herrscht in den Straßen wie einst am 1. August 1914. Als die Panzerkolonnen in Richtung Osten ziehen, schweigen die Deutschen bedrückt.
In sechs Wochen ist Polen zerstört und besiegt. Was die Völker erwartet, wenn sie Deutschland unterliegen, wird schon in den ersten Monaten des Krieges deutlich: ein hartes Besatzungsregime, das die Ressourcen des Landes rücksichtslos ausbeutet, hinter der Frontlinie Massenerschießungen von Zivilisten durchführt und die jüdische Bevölkerung in Ghettos treibt. In einem Geheimvertrag haben Hitler und Stalin sich am 23. August auf eine Teilung Polens geeinigt. Sowjetische Truppen besetzen nun am 17. September die östlichen Teile des besiegten Landes und Deutschland herrscht im »Generalgouvernement Polen«.
Im Westen kommt es zum so genannten »Sitzkrieg«. Gut acht Monate liegen sich Franzosen und Deutsche bewegungslos gegenüber. Hitler gibt sich in seinen öffentlichen Reden friedenswillig, schwört heuchlerisch, Deutschland habe keine weiteren Ansprüche. London aber lässt sich nicht mehr täuschen. In der britischen Regierung hat es einen Wechsel gegeben. Neuer Premierminister ist Winston Churchill. In ihm findet Hitler einen kompromisslosen Gegner, der erfolgreich vor jeder Nachgiebigkeit gegenüber den Deutschen warnt. »Ich habe nichts anzubieten als Blut, Schweiß und Tränen«, ruft er seinen Landsleuten in einer Rede im Unterhaus zu. Im April 1940 überfällt Deutschland Dänemark und Norwegen und kommt einer britischen Invasion nur um wenige Stunden zuvor. Beiden Seiten geht es vor allem um die reichen Erzvorkommen, die sie sich für die Waffenproduktion sichern wollen. Und dann beginnt am 10. Mai der Westfeldzug. Belgien, Holland und Luxemburg werden
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