Die Geschichte der Deutschen
kategorisch verboten und sie damit ans Messer geliefert. Wer nicht im Kugelhagel stirbt oder erfriert, kommt in Gefangenschaft. Es sind Zehntausende deutsche Soldaten, von denen nur wenige überleben. Hinter vorgehaltener Hand glaubt von den Deutschen nun fast niemand mehr an den von Hitler prophezeiten Endsieg, worauf Goebbels im Propagandaministerium die letzten Register zieht. Am 13. Februar 1943 ruft er während einer Rede im Berliner Sportpalast den »totalen Krieg« aus. Vermehrte Frauenarbeit und eine gewaltige Steigerung der Rüstungsproduktion sind die Folge. Im August 1944 werden im Reich rund 7,6 Millionen Zwangsarbeiter überwiegend in der Rüstungsindustrie und in der Landwirtschaft eingesetzt. Sie kommen aus den besetzten Gebieten, vor allem aus Polen, der Sowjetunion und Frankreich. Es ist Sklavenarbeit, die sie zu verrichten haben.
Abwenden kann die Niederlage aber weder die Propaganda noch die »Wunderwaffe«, mit der Hitler, so raunen die Gerüchte, an der Ostseeküste experimentiert. Im Juli 1943 landen die Alliierten in Sizilien. Am 25. Juli wird Mussolini gestürzt, und im September betreten amerikanische und britische Soldaten das italienische Festland. Im Osten muss die deutsche Armee auf breiter Front |244| zurückweichen. Und dann landen am D-Day im Juli 1944 die Alliierten mit der größten Invasionsarmee der Weltgeschichte in der Normandie. Zur gleichen Zeit erreichen die Russen die Memel. Am 21. Oktober besetzen die Amerikaner mit Aachen die erste deutsche Großstadt. Im April 1945 schließen sowjetische Einheiten Berlin ein. Der Führer schickt sein letztes Aufgebot ins Gefecht: alte Männer und Kinder. Am 30. April begeht Hitler Selbstmord. Am 7. und 8. Mai kapituliert das Deutsche Reich.
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Wo ist das andere Deutschland?
Im Osten hat Hitler einen Vernichtungskrieg gewollt und die Wehrmacht hat ihn dabei unterstützt. Der »Führer« hat eine »Endlösung« angestrebt und die Armeeführung hat sich dem nicht widersetzt.
Die deutsche Generalität gibt teilweise Befehle an ihre Soldaten aus, in denen sie von einem »Rassenkrieg« spricht. Darauf sind die jungen Soldaten durchaus vorbereitet. In der Heimat und in den Belehrungen bei der Truppe werden sie ideologisch geschult. Die Nazi-Propaganda, die gegen »Rassenschande« und die Vermischung »minderwertigen« (= jüdischen) und »überlegenen« (= arischen) Blutes polemisiert, leistet ein Übriges. So ist für die Soldaten an der Ostfront der polnische oder russische Gegner kein Feind, sondern der »slawische Untermensch«, den es – Hitler und die Rassenideologie haben es gelehrt – zu vernichten gilt. Hier liegt die Erklärung dafür, dass sich an den Massenerschießungen von russischen oder polnischen Zivilisten nicht nur SS- und Polizeieinheiten, sondern auch Soldaten und Offiziere der Wehrmacht beteiligen. Diese Untaten haben nichts mit der Bekämpfung von Partisanen zu tun, sondern sie sind Kriegsverbrechen. Am schlimmsten wütet die SS. In den eroberten Städten und Ortschaften treiben sie mit Unterstützung von polnischen, litauischen, lettischen oder ukrainischen Hilfskräften die jüdischen Bewohner zusammen. Hunderttausende Männer, Frauen und Kinder müssen sich vor den aufgeschütteten Gruben nackt aufstellen und werden mit Maschinengewehrgarben ermordet. Auch hier duldet die Wehrmacht, die in den besetzten Ostgebieten die staatliche Gewalt repräsentiert, den Massenmord und arbeitet eng mit den Vollstreckern zusammen.
Am 20. Januar 1942 findet in einer Villa am Berliner Wannsee eine Konferenz statt. Den Vorsitz führt Himmlers Stellvertreter Reinhard Heydrich. Protokollführer |245| ist Adolf Eichmann. Die Männerrunde beschließt eine konkrete Planung für die von Hitler immer wieder mehr oder weniger offen angedrohte »Endlösung der Judenfrage«. Ziel ist es, alle deutschen und in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten lebenden Juden in Vernichtungslager zu deportieren und sie dort zu ermorden. Dieser Beschluss setzt die Organisation und die Durchführung des Holocaust in Bewegung. Das Wort stammt aus dem Griechischen und ist ein biblischer Begriff. Er bedeutet »gebranntes Opfer« oder »zum Himmel aufsteigendes Opfer«. Benutzt wird er im Zusammenhang mit der Judenverfolgung erstmals 1943 in der Rede des Abgeordneten Herbert Samuel im britischen Oberhaus. Auch wenn dieser Begriff nicht mit seiner ursprünglichen biblischen Bedeutung in Übereinstimmung zu bringen ist, hat er sich
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