Die Geschichte der Deutschen
Terror des Nationalsozialismus und konfrontieren den Leser unmittelbar mit dem Schicksal eines von Gewalt und Tod bedrohten jungen Mädchens. Vom großem Mut und einer auch in Schreckenszeiten ungebrochenen Humanität erzählen diese Aufzeichnungen und sie haben Millionen Leser erschüttert. Erst viel später werden sich auch andere Überlebende des Holocaust in Büchern und Fernsehdokumentationen zu Wort melden und das Unfassbare aus der Sicht der Opfer schildern.
Der Holocaust ist ein Menschheitsverbrechen. Als die Deutschen 1933 Hitler folgten, ahnten die meisten nicht, welchen Weg das Regime mit seiner Diskriminierung und Verfolgung der Juden tatsächlich zu gehen fähig war. Aber sie haben schon vor dem Holocaust hingenommen, dass ihre jüdischen Nachbarn schikaniert, enteignet, verhaftet und in die Konzentrationslager verschleppt wurden. Trotzdem stimmten sie den Entscheidungen ihres »Führers« weitgehend zu. Kaum jemand kann also sagen, er hätte von nichts gewusst. Und wenn es vielleicht auch keine kollektive Schuld aller Deutschen gibt, so gibt es doch sicher eine Verantwortung gegenüber der eigenen Geschichte. Und deshalb werden die Deutschen sich fragen müssen: Warum nur haben alle weggeschaut? Warum wollte niemand sehen, was wirklich vor sich ging?
Aber hat es denn gar keinen Widerstand in all jenen Jahren der Diktatur und der Verbrechen gegeben? Haben alle Deutschen geschwiegen, als die linken Parteiführer, Bekennenden Christen und Homosexuellen verhaftet wurden? Hat sich niemand aufgelehnt, als der jüdische Kollege, Wohnungsnachbar, Stammtischbruder oder Sportkamerad all seine Rechte verlor, als die jüdischen Mitschüler von einem Tag auf den anderen nicht mehr in der gewohnten Schulbank saßen? Hat kein Offizier im Generalstab aufbegehrt, als deutlich wurde, dass Hitler einen neuen Krieg entfesseln wollte?
Natürlich, da waren die Emigranten, die aus dem Ausland in Zeitschriften, Büchern und Pamphleten gegen Hitler wetterten und Geld sammelten, damit immer mehr Flüchtlinge das Land verlassen konnten, solange dies vor Kriegsausbruch noch möglich war. Und auch als die Grenzen geschlossen waren, kämpften sie weiter mit ihren Mitteln. Erika Mann zum Beispiel war eine von vielen Künstlern, die in Rundfunkreden bei der britischen BBC zum Widerstand gegen das Nazi-Regime aufforderten. Viele traten den gegnerischen Armeen bei und riskierten wie etwa der Schriftsteller Stefan Heym als US-Soldat bei der Invasion |248| in der Normandie ihr Leben. Aber das alles war außerhalb des Dritten Reiches, weit weg sozusagen und dem Terror der Gestapo entzogen.
Wie sah es innerhalb des Reiches aus? Es gab Widerstand. Er zeigte sich in kleinsten Gruppen oder in den Taten Einzelner, in dem, was wir Zivilcourage nennen. Während in den ersten Nachkriegsjahren das konservative Deutschland vor allem das Attentat der Offiziere vom 20. Juli 1944 in das Zentrum der Darstellung rückte, priesen die Marxisten und DDR-Funktionäre den Untergrundkampf der Kommunisten. Die Akten des Volksgerichtshofes zeigen jedoch, dass sehr viele Menschen sich spontan kritisch über die Zustände in Deutschland äußerten. Wenn sie denunziert wurden – und das geschah in diesen Jahren sehr häufig –, warteten lange Gefängnisstrafen oder sogar der Henker auf sie.
Die Widerstandskämpfer
Johann Georg Elser: Lange hat ihn die Nachkriegsgeschichtsschreibung übersehen. Der 1903 in Württemberg geborene Schreiner Georg Elser aber war einer der wenigen Widerstandskämpfer, die ohne besonderen ideologischen Hintergrund und ohne jede fremde Unterstützung ein Attentat auf Hitler planten und ausführten. Es sind moralische und christliche Motive, die 1938 in diesem mutigen Mann den Entschluss reifen ließen, Hitler zu beseitigen. Der manuell geschickte Handwerker stellt Zeichnungen einer Bombe her, unternimmt Sprengstoffversuche und besorgt sich die für das Attentat notwendigen Materialien. Jeden 9. November hält der Führer im Münchner Bürgerbräukeller vor seinen »alten Kämpfern« eine Rede, in der er an den gescheiterten Putschversuch der Nazis im Jahre 1923 erinnert. Elser lässt sich im Oktober 1939 abends im Bürgerbräukeller einschließen. In 30 Nächten höhlt er eine der Saalsäulen aus. Vom 1. bis zum 6. November baut er seine Bombe ein. Am Abend des 9. November explodiert der Sprengsatz und zerstört den Saal. Sieben Menschen sterben, über 60 werden verletzt. Hitler hat aber seine Rede vorzeitig beendet, um wegen des
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