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Die Geschichte der Deutschen

Die Geschichte der Deutschen

Titel: Die Geschichte der Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Sternburg
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nehmen. Er tut es nicht freiwillig, sondern die politischen Umstände zwingen ihn dazu.
    Als er sein Amt antritt, wird er Kanzler eines noch immer unter einem Besatzungsstatut stehenden Landes, in dem die Städte in Trümmern liegen, große Wohnungsnot und hohe Arbeitslosigkeit herrschen. Als er es verlässt, ist Westdeutschland wieder eines der reichsten Länder der Welt. Eine außergewöhnliche politische Karriere. Als kürzlich eine Fernsehanstalt den „größten Deutschen“ küren ließ, entschieden sich die meisten Zuschauer für Konrad Adenauer.
    Adenauer stammt aus einer katholischen Kleinbürgerfamilie und wird in Köln geboren. Er studiert Jura und tritt 1906 der Zentrumspartei bei. 1908 wird er erster Beigeordneter der Stadt Köln, von 1917 bis 1933 ist er Oberbürgermeister in der Domstadt. In seine Amtszeit fallen beachtliche Investitionen, die Gründung der Universität und der Messe, der Bau der Kölner Grünanlagen und der Mülheimer Brücke. Adenauer fördert zahlreiche Industriegründungen. 1926 wird der erfolgreiche Kommunalpolitiker als Kanzlerkandidat der Zentrumspartei ins Gespräch gebracht, aber die Wahl fällt dann doch auf seinen Parteifreund Wilhelm Marx. 1933 jagen die Nationalsozialisten Adenauer aus seinem Amt, weil er sich weigert, bei einem Wahlkampfbesuch Hitlers die Kölner Brücken mit Hakenkreuzfahnen schmücken zu lassen. Sowieso ist er als einer der bekanntesten |268| Zentrumspolitiker den neuen Herren ein Dorn im Auge. Der Oberbürgermeister a.D. erkämpft sich mit Erfolg seine Pension, baut sich ein Haus in Rhöndorf im Siebengebirge und überlebt dort weitgehend isoliert das Dritte Reich. 1944 soll er im Zuge der Terrorwelle nach dem Attentat vom 20. Juli verhaftet werden und sucht Zuflucht im Kloster Maria Laach. Unter dem Druck der Gestapo gibt seine Frau den Aufenthaltsort preis und es kommt zur Festnahme. Die wenigen Tage in Gestapohaft haben Gussie Adenauer seelisch tief belastet, und sie hat sich davon nie mehr erholt. Adenauer wird nach einigen Wochen wieder entlassen.
    Nach Kriegsende beruft ihn die englische Besatzungsmacht in sein altes Amt, er wird wieder Oberbürgermeister im fast vollständig zerstörten Köln. Schon nach wenigen Monaten überwirft er sich mit den Engländern, worauf nun sie ihn entlassen. Gedrängt von alten Zentrumsfreunden beteiligt sich der neuerliche Oberbürgermeister a.D. an den Debatten um eine Neugründung der Partei, die schließlich mit einem neuen Programm und unter dem Namen Christlich-Demokratische Union (CDU) entsteht. Mit Geschick und Machtinstinkt setzt er sich in fast allen wichtigen Sachfragen und Personalentscheidungen durch. Die Übernahme des Präsidentenamtes im Parlamentarischen Rat stellt die entscheidende Weiche für den Griff zum höchsten Amt im neuen Staat. Sein Einfluss auf die Verfassungsberatungen ist beträchtlich und rasch erkennt er die Bedeutung der marktwirtschaftlichen Ordnungsvorstellungen, die Ludwig Erhard entwickelt. Er macht sie sich zu eigen und gewinnt den parteilosen Wirtschaftsfachmann für seinen Wahlkampf. Auch dass die neue Hauptstadt Bonn heißt, ist auf seine diplomatischen und intriganten Fähigkeiten zurückzuführen. So hat er es nicht weit von seinem Haus in Rhöndorf zum neuen Arbeitsplatz auf der anderen Rheinseite.
    Das katholische Milieu hat diesen Politiker lebenslang geprägt. Er ist ein gläubiger Mensch, aber wehrt sich als Politiker auch gegen die Ansprüche des Klerus. Er ist Demokrat, aber Toleranz und Liberalität bleiben bei ihm immer begrenzt. Adenauer ist ein Patriarch, er entscheidet autoritär und strapaziert, wenn es seiner Politik und seiner Karriere dient, auch die Verfassung. Schon als Oberbürgermeister handelt er selbstbewusst und entscheidungsfreudig. Ideologie ist ihm fremd, er sucht sich zur Durchsetzung seiner Ziele die Partner, die er braucht. Als es im Köln der zwanziger Jahre um die Zustimmung des Stadtrats zum Bau der Mülheimer Brücke geht, macht er sogar mit den Kommunisten Politik.
    Adenauer ist ein Vereinfacher und kein Intellektueller, der zögert. Das drückt seiner Politik den Stempel auf. Sein Weltbild ist klar und unverrückbar: die |269| Werte des christlichen Abendlandes, die Hinwendung zum Westen, was für ihn als Rheinländer fast selbstverständlich ist, und die Eindämmung aller linken, im konkreten Fall sozialdemokratischen und kommunistischen Kräfte. Der gemütliche rheinische Tonfall, seine Neigung zum scherzhaften Fabulieren und die

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