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Die Geschichte der Deutschen

Die Geschichte der Deutschen

Titel: Die Geschichte der Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Sternburg
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Leidenschaft, mit der er Boccia spielt, täuschen die Zuhörer. Er ist hart, im Alter zynisch und in Wahlkämpfen diffamiert er seine Gegner, dass es dem Beobachter schwer fällt zu glauben, hier rede ein Christ. Bei den Bundestagswahlen 1961 hat er keine Skrupel, in seinen Wahlreden auf die uneheliche Geburt seines Kontrahenten, des SPD-Kanzlerkandidaten Willy Brandt, hinzuweisen.
    Die Erfolge, die die Bundesrepublik in der Ära Adenauer zu verzeichnen hat, sind groß. Unter seiner Kanzlerschaft entwickelt sich das »Wirtschaftswunder«. Die Bundesrepublik wird gleichberechtigtes Mitglied im Nordatlantischen Verteidigungsbündnis, der NATO. Die jahrhundertealte Feindschaft zwischen Deutschland und Frankreich wird durch den deutsch-französischen Vertrag beendet. Adenauer gehört zu den Politikern, die ganz entschieden für die europäische Einigung eintreten, und er unterzeichnet gemeinsam mit fünf Staatschefs 1957 in Rom den Gründungsvertrag der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Unversöhnlich ist seine Politik gegenüber der Sowjetunion und der DDR. Er hat die Teilung Deutschlands damit nicht gemildert, sondern verschärft.
    Als er die Macht verliert, verbittert er. Wie Bismarck kritisiert er seine Nachfolger und äußert öffentlich dunkle Untergangsängste, weil die Bundesrepublik und Europa nicht mehr seiner Politik folgen. Er schreibt viel gelesene Erinnerungen, nach denen er natürlich immer alles richtig gemacht hat.

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Wirtschaftswunderzeiten
    Frei und ohne Druck haben die Deutschen zum letzten Mal im November 1932 ein nationales Parlament gewählt. 17 Jahre später, am 14. August 1949, stimmen sie im westlichen Teil des Landes über die Besetzung des ersten Bundestages ab. Ein wichtiger Einschnitt und ein hoffnungsvoller Neubeginn. Das Ergebnis ist eine Überraschung. Die CDU und ihr bayerischer Partner, die CSU, erringen 31 Prozent der Stimmen und stellen damit die stärkste Fraktion. Die SPD erreicht 29,2 Prozent. Ein äußerst knapper Vorsprung, aber mit Hilfe der kleineren bürgerlichen Parteien kann Adenauer eine Regierungskoalition bilden und die Sozialdemokraten auf die Oppositionsbänke verbannen. Ihr Kanzlerkandidat |270| Kurt Schumacher und große Teile der Partei haben fest mit einem Sieg gerechnet. Sie sehen sich als die politische Kraft im Land, die dem Nationalsozialismus Widerstand geleistet hat, und sind davon überzeugt, dass nach dem Versagen der bürgerlichen Kräfte in den späten Weimarer Jahren nun ihre Stunde schlägt. Ihr von den physischen Qualen einer langen KZ-Haft gezeichneter Vorsitzender verkörpert diese Haltung in allen seinen Wahlkampfreden. Umso verbitterter reagiert der selbstbewusste Schumacher auf die Niederlage.
    Die Wahl ist zukunftsweisend. Die SPD hat sich im Wahlkampf für eine Verstaatlichung der Schwerindustrie eingesetzt. Kurt Schumacher greift die Besatzungsmächte mit scharfen Tönen an und fordert eine nationale, also von den Westmächten unabhängige Politik der neuen deutschen Demokratie. Die Leidenschaft reißt ihn immer wieder zu Äußerungen hin, die auf viele Wähler befremdend wirken. Berühmt wird seine später im Bundestag geäußerte Bemerkung, Adenauer sei der »Kanzler der Alliierten«. Adenauer ist geschmeidig. Die Besatzungsmächte sehen in ihm einen leichter zu handhabenden künftigen Verhandlungspartner und verheimlichen dies auch nicht. Die Nachrichten über Enteignungen und Unterdrückung in der Sowjetzone lassen das Misstrauen vieler westdeutscher Wähler gegenüber den linken Parteien wachsen. Der Anti-Kommunismus beginnt sich zu regen. Die KPD erreicht aus diesem Grund nur 5,7 Prozent.
    Adenauer nutzt diese Ängste und macht in seinen Reden kaum einen Unterschied zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten. Ein Rezept, das er auch in künftigen Wahlkämpfen erfolgreich einsetzt. Zudem haben die Christdemokraten mit Ludwig Erhard schon bei dieser Abstimmung eine Wahlkampflokomotive auf ihrer Seite. Die innenpolitischen Ziele der ersten Regierung Adenauer sind auf die Beseitigung der immer noch großen wirtschaftlichen Not ausgerichtet. Und dafür steht Erhard. Das Land braucht Arbeitsplätze und Wohnraum. Am 1. Mai 1950 fällt die letzte Lebensmittelrationierung weg. Durch Subventionierung des Agrarmarktes werden die Lebensmittelpreise niedrig gehalten. Der Bund übernimmt die Kriegsopferversorgung. Eine der bedeutendsten Leistungen der Bonner Politik ist die Eingliederung der 12 Millionen Vertriebenen und

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