Die Geschichte der Deutschen
militärischen und politischen Dimensionen der Aufstand der böhmischen Stände gegen ihren Habsburger Herrscher bald erreicht. Erst recht kann keiner glauben, dass er drei Jahrzehnte dauern wird.
Der entscheidende Auslöser ist die Unfähigkeit der Katholiken und der Protestanten, den beim Reichsfrieden in Augsburg gefundenen Ausgleich zu stabilisieren. Immer deutlicher zeigt sich, dass die Katholiken nicht bereit sind, ihre Vormachtstellung in Deutschland entsprechend den Augsburger Beschlüssen zurückhaltend zu gebrauchen. Sie besitzen mit dem Kaiser und dem traditionell zweiten Mann im Reich, dem Erzbischof von Mainz, die höchsten Ämter. In der Runde der Kurfürsten sind die Katholiken ebenso in der Mehrheit. Die Erfolge der Gegenreformation haben ihr Selbstbewusstsein gestärkt und da sie Gott ohnehin auf ihrer Seite wissen, denken sie gar nicht daran, die Ängste und Sorgen der Protestanten zu berücksichtigen. Diese fühlen sich in ihrer Minderheitenposition bedroht und beobachten mit wachsendem Misstrauen das Vorgehen der katholischen Partei. Die aktivsten Protestanten möchten die Reichsverfassung am liebsten unterlaufen, da sie auf den Reichs- und Kurfürstentagen gegen eine katholische Mehrheit stehen.
Die Polarisierung zwischen Katholiken und Protestanten ist der entscheidende Schritt, der zum Krieg führt. Klar wird dies schon im Jahr 1608, als der Reichstag von Regensburg wegen unüberbrückbarer Gegensätze der beiden Parteien platzt. Vorangegangen ist der Streit um die Reichsstadt Donauwörth. Hier leben überwiegend Protestanten. Die katholische Minderheit, es sind um die Jahrhundertwende noch 16 Familien, handelt so, wie die protestantischen Unionisten im heutigen Nordirland. Ihre jährlichen Heiligenprozessionen enden ganz bewusst auf dem Marktplatz der Stadt. Eine Provokation für die Evangelischen. Es kommt zu Prügelszenen und Fahnenschändungen. Der zuständige Bischof schaltet den Reichshofrat ein, dessen katholische Mehrheit verhängt die Reichsacht über die Stadt. Die Durchführung dieser Entscheidung wird in die Hände des bayerischen Herzogs Maximilian gelegt, obwohl Donauwörth im |90| protestantischen Schwaben liegt. Eine bedenkliche Beugung des Rechts und eine neuerliche Demütigung für das nervöse evangelische Lager. Der bayerische Herzog verschärft die Situation noch einmal, indem er die Stadt seinem Herrschaftsbereich einverleibt.
Auf dem Reichstag in Regensburg kommt es dann zum Eklat. Der Konflikt um Donauwörth wird von der katholischen Seite heruntergespielt. Mehr noch, sie fordert, dass alle seit dem Augsburger Frieden von 1555 rechtswidrig angeeigneten Gebiete zurückgegeben werden. Die Protestanten, um deren Herrschaftsbereiche es geht, sehen mit diesem Vorstoß alle ihre Befürchtungen bestätigt und verlassen empört Regensburg. Bis auf eine Ausnahme wird der Reichstag, diese wichtige politische Klammer des Reiches, erst wieder 1640 zusammentreten. Die Reichsverfassung, auf die sich die Parteien in Augsburg geeinigt hatten, ist praktisch außer Kraft gesetzt.
Unmittelbare Folge dieses Dramas ist die Bildung zweier Bündnisse: der Evangelischen Union und der Katholischen Liga. Man stellt sich auf Krieg ein. Besonnene Mahner gibt es auf beiden Seiten, aber wie immer in solchen Zeiten aufgeheizter Stimmungen verhallen ihre Worte ungehört. Den Ton geben jetzt die Radikalen an, die unter Berufung auf Gott und Glauben das Land in den Krieg treiben.
Die (protestantischen) Böhmen proben den Aufstand, da sie sich durch verschiedene, von der Gegenreformation durchgesetzte Maßnahmen in ihren noch von Kaiser Rudolf II. gewährten Freiheitsrechten eingeschränkt sehen. Als der in Wien residierende Kaiser und böhmische König Ferdinand II. eine Gesandtschaft nach Prag schickt, um die rebellischen Untertanen zur Ordnung zu rufen, werfen diese die Wiener Diplomaten wütend aus dem Fenster der Prager Burg. Der »Prager Fenstersturz« wird zum unmittelbaren Anlass des Kriegsausbruchs. Die erschreckten Vertreter des Kaisers landen unsanft, aber lebendig auf den Heuhaufen, die unter den Fenstern liegen. Darauf schickt Ferdinand seine Truppen in Richtung Prag, wo sich die Führer der Revolte inzwischen auf die Wahl eines neuen Königs geeinigt haben. Es ist der Kopf der protestantischen Union, der pfälzische Kurfürst Friedrich V. Da seine Königsherrschaft nur einen Winter währt, geht er als »Winterkönig« in die Geschichtsbücher ein. 1620 kommt es vor den Toren Prags, am
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