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Die Geschichte der Deutschen

Die Geschichte der Deutschen

Titel: Die Geschichte der Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Sternburg
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einstigen Größe. Deutschland liegt wirtschaftlich am Boden. Diejenigen, die mit dem Leben davongekommen sind, leiden Hunger und bangen um ihre Existenz.
    Aber – und das ist zunächst einmal das Wichtigste – es herrscht endlich Frieden im Reich. In den Abkommen von Osnabrück und Münster werden die Beschlüsse von Augsburg aus dem Jahr 1555 nicht nur bestätigt, es gibt auch erhebliche Verbesserungen. Die von den Katholiken immer wieder bestrittenen Besitzstände der evangelischen Seite werden bestätigt. Wenn künftig ein Herrscher die Konfession wechselt, können die Untertanen bei dem einst eingeführten Glauben bleiben. In Augsburg hatte die calvinistische Glaubensgemeinschaft noch keine Stimme, seit den Unterschriften unter den Friedensverträgen stehen die Calvinisten gleichberechtigt neben den Katholiken und Lutheranern. Das Reich ist befriedet worden und so haben es die Menschen trotz aller Not damals auch empfunden.

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Armut im Land, Macht und Reichtum bei den Fürsten
    Unter den ökonomischen und politischen Folgen des Dreißigjährigen Krieges werden die Deutschen jedoch noch lange zu leiden haben. Die ersten Nachkriegsjahrzehnte sind äußerst schwierig. Die Kaisermacht ist deutlich geschwächt. Der Absolutismus der Landesfürsten wird zum herrschenden politischen Prinzip. Unter verschärfter Berufung auf die schon vor dem Krieg gültige »Teutsche Liberalität« betonen die Territorialherren ihre Unabhängigkeit. Der Kaiser ist nun bei allen Regierungsentscheidungen an die Zustimmung der Reichsstände gebunden. Diese können dagegen unabhängig vom Votum des Kaisers Bündnisse schließen, wenn sie nicht gegen ihn oder das Reich gerichtet sind.
    |95| Doch schon bald zeigt sich, dass sich der Kaiser keineswegs zur Marionettenfigur der Fürsten degradieren lassen muss. In der fast 50-jährigen Herrschaftszeit von Leopold I., die 1658 beginnt, erringt die Reichsspitze wieder eine bedeutende politische Rolle. Die Kurfürsten sind untereinander zerstritten, und die Herrscher der kleineren, schwächeren Fürstentümer scharen sich um den Kaiser. Sie suchen angesichts der Machtambitionen der Großen den kaiserlichen Schutz und wehren sich daher aus verständlichem Eigeninteresse gegen eine Lockerung der Reichsbande. Der Konflikt zwischen dem Kurkolleg, dem Gremium der Kurfürsten, und dem Fürstentag, der Versammlung der kleineren Territorialherren, stärkt die Kaisermacht.
    Hinzu kommen neue außenpolitische Bedrohungen. Die Türken stehen 1683 vor den Toren von Wien. Die Stadt war 1529 schon einmal belagert worden, doch jetzt sieht es so aus, als ob die Truppen von Großwesir Kara Mustafa tatsächlich einmarschieren würden. Die Reichsfürsten scharen sich um den Kaiser. Erst der glänzende Sieg des Prinzen Eugen über das osmanische Heer beendet den 200 Jahre währenden Albtraum. Die Türken sollen so schnell vor den habsburgischen Soldaten geflüchtet sein, dass sie ihre Kaffeesäcke in der Hektik des Rückzugs einfach stehen ließen. Im Westen versucht sich Frankreich unter Ludwig XIV. erneut in Richtung Rhein auszudehnen. Französische Truppen marschieren in den Niederlanden ein, verwüsten die Pfalz und zerstören das Heidelberger Schloss.
    Die außenpolitischen Bedrohungen und der innenpolitische Zwist zwischen den Territorialherren hat das Auseinanderfallen des Reiches nach dem Dreißigjährigen Krieg verhindert. Leopold I. leistet durch das geschickte Ausbalancieren der verschiedenen Länderinteressen dazu einen erheblichen Beitrag. Seinen Nachfolgern gelingt dies nicht mehr. Die Habsburger dehnen nach dem Sieg über die Türken ihre Herrschaft auf den Balkan aus. Die Kaiser in Wien sind künftig mit dem Regieren ihrer Erblande so intensiv beschäftigt, dass sie sich nicht mehr um die Reichspolitik kümmern können oder wollen. Mit der Zeit wachsen Österreich, Preußen, Sachsen, Hannover und auch Bayern zu Mächten heran, deren politische Größe den Reichsverband sprengt. Preußen wird unter Friedrich dem Großen zu einer europäischen Großmacht, dessen militärische Stärke die Nachbarn zwischen Bewunderung und Furcht hin und her schwanken lässt. Der Wettiner August der Starke, Kurfürst von Sachsen, wird auch König von Polen. Der Kurfürst von Hannover besteigt als König Georg I. den englischen Thron. Selbst die bayerischen Wittelsbacher versuchen gelegentlich europäische Großmachtpolitik zu betreiben. Auch die prächtigen Kaiserkrönungen |96| im Frankfurter Dom

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