Die Geschichte der Deutschen
Sigmund seinen treuen Hauptmann zum Verwalter der Mark Brandenburg. Er wird Kurfürst und setzt durch, dass seine Söhne und Enkel ihn beerben. Preußen, die dünn besiedelte, arme und fern vom Kerngebiet des Reiches liegende Provinz im Osten, wird 1618 mit Brandenburg vereinigt. Kurz danach kommt das niederrheinische Kleve hinzu. Die Territorien des Kurfürsten sind über das Reich verstreut, und so bleibt es in den kommenden Jahrhunderten das Ziel, eine Landbrücke zu schaffen, die die Herrschergebiete verbindet. Denn Preußen will eine Vormacht werden, nicht nur im Norden des Reiches.
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»Andere Staaten besitzen eine Armee, Preußen ist eine Armee«
1640 übernimmt Friedrich Wilhelm I., der »Große Kurfürst«, die Regierung. Bei den Friedensverhandlungen in Osnabrück gewinnt sein Kurfürstentum Halberstadt, Minden und Magdeburg hinzu. Friedrich Wilhelms Plan, sich ganz Pommern einzuverleiben, scheitert allerdings. 1675 kommt es im Krieg mit Schweden zur Schlacht von Fehrbellin, die später von der preußischen Geschichtsschreibung mit starken nationalistischen Tönen hochgejubelt wird. Zu Unrecht: Obwohl der Große Kurfürst ein schlagkräftiges Heer aufgebaut hat, aus dem dann die preußische Armee hervorgehen wird, endet die Schlacht unentschieden. Außer vielen gefallenen Landeskindern hat sie den Brandenburgern nichts eingebracht |104| . Am Ende der Kämpfe muss Friedrich Wilhelm das eroberte Vorpommern wieder herausrücken.
Der Große Kurfürst hat diesen Ehrentitel wohl deswegen erhalten, weil er mit dem Aufbau einer effizienteren Verwaltung, mit der ersten Ansiedlung der aus Frankreich vertriebenen Hugenotten, der Gründung von Manufakturen und dem Bau von Kanälen entscheidende Anstöße für die wirtschaftliche und staatliche Entwicklung Brandenburgs gegeben hat. Friedrich Wilhelm stärkt die absolutistische Zentralgewalt in seinem Kurfürstentum. Die preußischen Historiker feiern ihn als Begründer der preußischen Großmacht, obwohl das Land in seiner Regierungszeit noch weit davon entfernt ist, eine herausragende Rolle in Europa zu spielen.
Sein Sohn Friedrich muss sich mit innerfamiliären Machtkämpfen auseinander setzen, aber es gelingt ihm, die Einheit des Landes zu erhalten. Die Heiratsdiplomatie treibt Preußens Aufstieg weiter voran. Friedrich ehelicht die intelligente Sophie Charlotte, die Tochter des Kurfürsten von Hannover. Dieser ist ein Urenkel des schottischen Königs Jacob I., Sohn der auf Befehl von Königin Elisabeth I. hingerichteten Maria Stuart. Nach dem Aussterben der Stuarts wird der Hannoveraner 1714 als Georg I. König von England. Da er zugleich Kurfürst bleibt, wird England durch die Doppelfunktion seiner Herrscher künftig erheblichen Einfluss auf die Reichspolitik in Deutschland nehmen können. Aber zunächst einmal nutzt der Machtzuwachs des Hannoveraners seinem Schwiegersohn im fernen Preußen.
1701 wird Friedrich I. der erste König Preußens. Diesen Herrschertitel verleiht ihm Kaiser Leopold I. als Dank für die Unterstützung, die Brandenburg-Preußen im spanischen Erbfolgekrieg den Habsburgern gewährt. Frankreich auf der einen und Österreich und England auf der anderen Seite streiten sich um den verwaisten spanischen Königsthron. Friedrich profitiert davon. Beim Friedensschluss in Utrecht kann Preußen sein Herrschaftsgebiet im Westen ausweiten. Friedrich ist eitel und verschwenderisch. Er liebt die barocke Repräsentationspracht des Absolutismus. Das kostet mehr Geld, als die Staatskasse hergibt. Seine geistvolle Frau fördert Wissenschaft und Künste. Die bald berühmte Berliner Akademie der Wissenschaften wird begründet und im noch recht ländlichen Berlin entwickelt sich barockes Bildungsstreben.
König Friedrich Wilhelm I. ist das genaue Gegenteil des die Staatsfinanzen überfordernden Vaters. Ein knorriger, geistig schlichter Mann sitzt seit 1713 auf dem preußischen Thron. Berlin erlebt keine glänzenden Hoffeste und Paraden mehr. Der neue preußische König spart eisern. In kurzer Zeit hat er den Landeshaushalt |105| wieder ins Gleichgewicht gebracht. Seine ganze Leidenschaft gilt dem Militär. Er rüstet Preußen auf und voller Stolz lässt er täglich seine »langen Kerls« exerzieren. Das körperliche Mindestmaß, das die Soldaten seiner Leibgarde aufweisen müssen, ist aus heutiger Sicht keineswegs überwältigend. Aber damals gilt ein Mann von 1,75 Metern schon als kleiner Riese. Als »Soldatenkönig« geht dieser
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