Die Geschichte der Deutschen
Friedrich Wilhelm in die Geschichtsbücher ein und als harter Vater des Mannes, der Preußen im Laufe seiner Regierungszeit gleichberechtigt an die Seite der Großmächte Frankreich, England und Österreich zu stellen weiß.
Friedrich der Große (1712–1786)
Kaum ein anderer Herrscher der Neuzeit hat die Fantasie der Deutschen mehr beschäftigt als Preußens König Friedrich II. Sein Lebensweg, sein politischer Erfolg und seine eigenwillige Persönlichkeit machen es schwer, ein gerechtes Urteil über das Wirken dieses Herrschers zu fällen. Unstreitig hat er Preußen machtpolitisch mehr gestärkt als alle seine Vorgänger. Seine militärischen und diplomatischen Erfolge, seine Wirtschaftspolitik und die von ihm energisch vorangetriebene Entwicklung Ostpreußens haben den Staat der Hohenzollern neben dem Österreich der Habsburger zum wichtigsten Land im Reich aufsteigen lassen. Friedrich fühlt sich als aufgeklärter Herrscher. Er schafft 1740 in Preußen die Folter ab und bereitet ein Allgemeines Landrecht vor, das zum ersten (und in der Geschichte einzigen) Mal alle Gesetze in einem Werk vereinigen soll. Seine aufgeklärten Bildungsideen führen zu einer Verbesserung des Volksschulunterrichts und der Lehrerausbildung.
Die Kehrseite der Medaille: Friedrich II. raubt Österreich in drei langen und verlustreichen Kriegen Schlesien. Seine risikoreichen und – wie wir heute sagen würden – völkerrechtswidrigen militärischen Unternehmungen fordern einen hohen Blutzoll unter seinen Soldaten und verwüsten große Teile des Staates. Seine Unternehmungen führen Preußen an den Rand des Abgrunds. Nur ein Glücksfall, der Tod seiner Erzfeindin, der Zarin Elisabeth, und damit der Zusammenbruch der anti-preußischen Koalition, retten ihn und seinen Staat vor dem Untergang. Friedrich gibt sich zwar als Freund der Aufklärung, bleibt aber ein absoluter Herrscher. Er behandelt seine Umgebung – den Adel, die Generäle, die Verwaltungsbeamten – mit autoritärer Verachtung. Das Wort des Königs steht über dem Gesetz. Die jungen preußischen Männer werden unter Friedrich zu jahrelangem, von grausamen Strafen begleitetem Soldatendienst gezwungen.
|106| Herangewachsen ist Friedrich in der spartanischen und strengen Umgebung des Soldatenkönigs. Während dieser in Berlin mit einigen auserwählten Generälen und adligen Hofbeamten beim abendlichen Tabakskollegium herbe Scherze pflegt oder sich am Paradeschritt seiner langen Kerls freut, tanzt der musisch begabte und sensible Kronprinz auf Schloss Rheinsberg die Nächte durch oder spielt zum Ergötzen seiner Hofgesellschaft eigene Kompositionen auf der Flöte. Begierig liest er die Schriften der französischen Aufklärer und träumt von einem Königtum, an dessen Hof Geist und Bildung herrschen. Er will ein ganz anderer König werden als der ungeliebte Vater.
Dieser, immer erregter und zorniger über die Lebenshaltung des Sohnes, greift ein und zwingt den Kronprinzen, sich mit Fragen des Militärs und der Verwaltung auseinander zu setzen. »Er ließ nicht mit sich spaßen«, wird Friedrich Jahrzehnte später über seinen Vater sagen, »wer ihm bei schlechter Laune unglücklicherweise in die Quere kam, bedachte er plötzlich mit Stockhieben und Tritten in den Hintern.« Schlimmer noch, der cholerische Herrscher demütigt den Thronfolger vor seinen Generälen, Ministern oder der Dienerschaft immer wieder mit wüsten Beschimpfungen.
Friedrich, erdrückt von der Übermacht und den Gewalttätigkeiten des Soldatenkönigs, versucht sich ihm gegenüber zu verstellen, ihn durch scheinbare Unterwerfung zu täuschen. Die Verschlagenheit, mit der er dann später als König seinen Gegnern häufig gegenübertritt, sie mag mit dieser so früh eingeübten und erzwungenen Lebenshaltung zu tun zu haben. Das gilt auch für Friedrichs viel gerühmten Durchhaltewillen. In seiner Jugend muss er alle Erniedrigungen und Quälereien geduldig ertragen, bis seine Stunde, die Übernahme des Königsamtes, kommen wird. Nicht anders empfindet er in den niederschmetternden Stunden des Krieges, als nach mehreren Niederlagen auf dem Schlachtfeld scheinbar alles verloren ist. Wieder, wie in den bitteren Jugendjahren, wartet er auf den Augenblick, der sein Schicksal wendet.
Höhepunkt des Vater-Sohn-Konflikts ist ein Fluchtversuch des jungen Friedrich, zu dem er seinen Freund, den Leutnant von Katte, überredet. Die Sache scheitert, auf Befehl des Vaters wird Katte vor den Augen Friedrichs hingerichtet und
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