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Die Geschichte der Deutschen

Die Geschichte der Deutschen

Titel: Die Geschichte der Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Sternburg
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gegen alle Verfassungs- und Demokratiebestrebungen des Bürgertums errichten. Er versucht die Zeit anzuhalten, die Privilegien des Adels zu sichern und die Errungenschaften der Französischen Revolution rückgängig zu machen. Doch letztlich stemmt sich der österreichische Politiker vergeblich gegen den Zeitgeist. Er kann die Entwicklungen für einen historischen Augenblick aufhalten, zu verhindern jedoch sind sie nicht. Spätestens mit der Industrialisierung in den deutschen Ländern verschieben sich die Machtverhältnisse. Trotzdem bleiben die Deutschen im Gegensatz zu den Franzosen und Engländern politisch unmündig. Sie leben bis 1918 unter autoritär geführten Regierungen. Dies nicht zuletzt, weil ihre Versuche, auch in Deutschland demokratische Fortschritte durchzusetzen an Metternichs antiparlamentarischer Politik scheitern.
    Metternich wird 1773 in Koblenz geboren. Er stammt aus einem alten rheinisch-katholischen Adels- und Diplomatengeschlecht. Als Jüngling erlebt er in Frankfurt noch die Kaiserkrönung von Leopold II. und ist auch dabei, als dem letzten Kaiser des »Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation«, Franz II., die Krone überreicht wird. Er ist also durch und durch ein Mann der alten, vorrevolutionären Zeit. Seine Heirat mit der Enkelin des bedeutendsten Kanzlers aus der Epoche Maria Theresias, Fürst Kaunitz, führt ihn in die höchsten Adelskreise Österreichs und öffnet ihm die Tore des Hauses Habsburg. Er wird Gesandter in Dresden, Berlin und Paris. Hier begegnet er mehrmals Napoleon, dessen Politik und Persönlichkeit er genau studiert. 1809 wird Metternich Außenminister und nach der Völkerschlacht von Leipzig erhebt ihn König Franz I. in den Fürstenstand. 1820 wird er österreichischer Kanzler.
    Metternich wird reich und der hoch gewachsene, gut aussehende Mann bleibt ein Liebling der Frauen. Der Erfolg macht ihn eitel. »Ich habe mich niemals geirrt«, schreibt er einmal einem Briefpartner. Nach einem Auftritt in der Frankfurter Bundesversammlung berichtet er seiner Frau: »Ich kam nach Frankfurt wie der Messias, um die Sünder zu retten. Der Bundestag nahm ein neues Aussehen an, sobald ich mich mit seinen Angelegenheiten beschäftigte.« »Ich war ein Fels in der Ordnung«, behauptet er am Ende seines Lebens. Als »Kutscher Europas« sieht er sich.
    |123| So selbstgefällig und unbescheiden diese Äußerungen auch klingen, es tragen tatsächlich nahezu alle außenpolitischen Entscheidungen jener Jahre Metternichs Handschrift. Der Wiener Kongress, zu dem vom 3. Oktober 1814 bis zum 9. Juni 1815 alles in der Donaumetropole zusammenkommt, was in Europa Rang und Namen hat, ist sein Meisterstück. Denn im Hintergrund der prunkvollen Hofbälle, auf denen die europäische Elite festlich gestimmt ein nachnapoleonisches Stelldichein feiert, wird handfeste Politik betrieben. Metternich gelingt es gemeinsam mit den englischen Diplomaten in zähen Verhandlungen, die Ansprüche des Zaren, ganz Polen unter seine Krone zu stellen, und die Forderung des preußischen Königs, Sachsen zu Preußen zu schlagen, zurückzuweisen. Der unter seiner Leitung stehenden Herrscher- und Diplomatenversammlung glückt das beinahe Unmögliche: Sie schafft ein Gleichgewicht der Mächte in Europa, das dem Kontinent einen fast hundertjährigen Frieden schenkt.
    Zwischen 1815 und 1848 ist Metternich Deutschlands wichtigster Politiker. Erst die Massendemonstrationen und Barrikadenkämpfe im Wien des Jahres 1848 leiten den Sturz des Kanzlers ein. Der »Schutzwall«, den seine Politik zwischen Adel und Bürgertum aufgerichtet hat, ist offenbar nicht hoch genug. Bei Nacht und Nebel verlässt er Österreich und geht ins englische Exil. Die letzten Jahre lebt er auf Schloss Johannisberg im Rheingau, das ihm einst sein dankbarer Monarch Franz I. geschenkt hat.
    Die deutschen Fürsten beschließen auf dem Wiener Kongress und unter Metternichs sanftem Druck die Gründung des Deutschen Bundes. Ihm gehören 35 Einzelstaaten und vier freie Städte an. Der Nachfolger des 1806 untergegangenen Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation ist ein föderaler und dezentraler Staatenbund. Der Sitz des Bundestages ist Frankfurt am Main. Dorthin entsenden die Mitgliedsländer ihre Vertreter, die jeweils eine genau festgelegte Stimmenzahl bei den Abstimmungen in die Waagschale werfen dürfen. Scheinbar eine demokratische Angelegenheit. Aber außenpolitisch ist der Bundestag kaum entscheidungsbefugt, und in Bezug auf die Entwicklungen

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