Die Geschichte Der Kinder Hurins. Sonderausgabe.
als schon die Nacht hereinbrach und sie noch weit von den Ered Wethrin entfernt waren, umzingelten die Orks das Heer Fingons, und sie kämpften, bis der Tag anbrach, und der Ring schloss sich immer enger. Am Morgen kam Hoffnung auf, als man Turgons Hörner vernahm, wie er mit dem Hauptheer von Gondolin anrückte; denn Turgon war im Süden geblieben, um den Sirion-Pass zu bewachen, und er hatte den größten Teil seiner Leute von dem unbedachten Sturmangriff zurückgehalten. Nun eilte er seinem Bruder zu Hilfe, und die Noldor von Gondolin waren stark, und ihre Reihen glänzten wie ein stählerner Fluss in der Sonne; denn Schwert und Harnisch des Geringsten von Turgons Kriegern waren mehr wert als das Lösegeld für einen Menschen.
Nun brach die Phalanx der Leibgarde des Königs durch die Reihen der Orks, und Turgon hieb sich den Weg zu seinem Bruder frei. Und es heißt, freudig sei inmitten der Schlacht das Wiedersehen Turgons mit Húrin gewesen, der an Fingons Seite stand. Eine Zeit lang wurde dann dem Vordringen der Heere Angbands Einhalt geboten, und Fingon setzte seinen Rückzug fort. Doch nachdem er Maedhros im Osten in die Flucht geschlagen hatte, hatte Morgoth nun große Kräfte frei, und bevor Fingon und Turgon den Schutz der Hügel erreichen konnten, wurden sie von einer Flut von Feinden überschwemmt, die dreimal größer war als das ganze Heer, das ihnen verblieben war. Gothmog war gekommen, Feldherr von Angband, und er trieb einen dunklen Keil zwischen die Elbenheere, umzingelte König Fingon und drängte Turgon und Húrin seitwärts zum Fenn von Serechab. Dann wandte er sich Fingon zu. Heiß war das Treffen. Zuletzt stand Fingon allein zwischen den Leichen seines Gefolges und focht mit Gothmog, bis ein Balrog von hinten eine stählerne Schlinge um ihn warf. Da schlug Gothmog mit seiner schwarzen Axt zu, und eine weiße Flamme schoss aus Fingons gespaltenem Helm. So fiel der Hohe König der Noldor; und sie hieben ihn mit ihren Keulen in den Staub und stampften sein blausilbernes Banner in den blutigen Morast.
Die Schlacht war verloren. Aber noch hielten Húrin und Huor und die Reste von Hadors Volk mit Turgon von Gondolin stand, und die Heere Morgoths vermochten den Pass des Sirion nicht einzunehmen. Da sagte Húrin zu Turgon: »Geh jetzt, Herr, solange noch Zeit ist! Denn in dir lebt die letzte Hoffnung der Eldar. Solange Gondolin steht, wird Morgoths Herz das Fürchten nicht verlernen.«
Turgon aber antwortete: »Nicht lange nun kann Gondolin verborgen bleiben; und ist es einmal entdeckt, so muss es fallen.«
»Doch wenn es nur noch eine kurze Weile steht«, sprach Huor, »dann wird aus deinem Hause die Hoffnung der Elben und der Menschen kommen. Dies sag ich dir, Herr, mit dem Weitblick des Todgeweihten: Auch wenn wir hier für immer scheiden und ich deine weißen Mauern nicht mehr schauen werde, so soll doch aus dir und aus mir ein neuer Stern aufgehen. Leb wohl!«
Maeglin, Turgons Schwestersohn, der dabeistand, hörte diese Worte und vergaß sie nicht.
Da folgte Turgon dem Rat Húrins und Huors, und er gab Befehl, dass sich sein Heer zum Sirion-Pass zurückziehen sollte, während seine Hauptleute Ecthelion und Glorfindeldie Flanken zur Rechten und Linken sicherten, damit kein Feind sie überholen könne. Denn die einzige Straße in jener Gegend war schmal und verlief nahe dem Westufer des breiter werdenden Sirionstromes. Für die Rückendeckung aber sorgten die Menschen von Dor-lómin, wie Húrin und Huor es wollten; denn sie waren fest entschlossen, die Nordlande nicht zu räumen, und wenn sie sich nicht nach Hause durchschlagen konnten, so wollten sie hier bleiben bis zum Ende. So geschah es, dass Turgon sich nach Süden durchkämpfte, bis er hinter Húrins und Huors Deckung den Sirion abwärts zog und entkam. Und er verschwand in die Berge und aus Morgoths Blick. Die Brüder aber scharten die restlichen Menschen des Hauses Hador um sich und wichen Fuß um Fuß zurück, bis sie hinter dem Fenn von Serech waren und den Bach Rivil vor sich hatten. Dort blieben sie stehen und wichen nicht mehr.
Alle Heere Angbands liefen nun gegen sie zusammen; sie überbrückten den Bach mit ihren Toten und schlossen sich um das letzte Häuflein aus Hithlum wie die steigende Flut um einen Felsen. Dort, als die Sonne im Westen sank und die Schatten der Ered Wethrin dunkler wurden, fiel Huor, von einem vergifteten Pfeil ins Auge getroffen, und um ihn her lagen all die tapferen Männer Hadors erschlagen auf einem
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