Die Geschichte Der Kinder Hurins. Sonderausgabe.
Gebaren zeugten von dem alten Reich Doriath, und selbst unter den Elben hätte man ihn bei der ersten Begegnung für einen aus den großen Häusern der Noldor halten können. So tapfer war Túrin und so außerordentlich geschickt im Kampf, insbesondere mit Schwert und Schild, dass die Elben sagten, er könne nicht getötet werden, es sei denn durch einen unglücklichen Zufall oder einen Giftpfeil aus der Ferne. Daher gaben sie ihm ein Kettenhemd aus den Zwergenschmieden. In einer grimmigen Laune fand er auch eine Zwergenmaske in den Waffenkammern, über und über vergoldet, die er vor der Schlacht aufsetzte; und die Feinde flohen bei seinem Anblick.
Nun hatte er seinen Willen durchgesetzt, und alles ging gut, und er hatte eine Aufgabe, die nach seinem Herzen war, und wurde dafür hoch geehrt. Er war höflich zu allen und nicht so grimmig wie vorher, sodass sich ihm fast alle Herzen aufschlossen, und viele nannten ihn Adanedhel, den Elbenmenschen. Aber am meisten von allen war Finduilas, Orodreths Tochter, in ihrem Herzen bewegt, wann immer er sichihr näherte oder in der Halle aufhielt. Wie alle aus dem Haus Finarfins war sie goldhaarig, und Túrin fand Gefallen an ihrem Anblick und ihrer Gesellschaft, denn sie erinnerte ihn an seine Sippe und an die Frauen Dor-lómins in seines Vaters Haus.
Zuerst traf er sie nur, wenn Gwindor zugegen war. Doch nach einer Weile suchte sie seine Wege zu kreuzen, und sie trafen sich zuweilen allein, auch wenn es zufällig zu geschehen schien. Dann befragte sie ihn über die Edain, von denen sie nur einige wenige gesehen hatte, und nach seiner Heimat und seiner Sippe.
Túrin sprach dann freimütig mit ihr über diese Dinge, auch wenn er ihr weder den Namen seines Geburtslandes noch irgendeinen aus seiner Familie nannte. Einmal sagte er zu ihr: »Ich hatte eine Schwester, Lalaith, wie wir sie nannten, und du erinnerst mich an sie. Aber Lalaith war ein Kind, eine gelbe Blume im grünen Frühlingsgras. Wäre sie am Leben geblieben, hätte der Kummer vielleicht ihr Gemüt verdunkelt. Aber du bist wie eine Königin, wie ein goldener Baum. Ich wollte, ich hätte eine so schöne Schwester.«
»Du aber bist wie ein König«, erwiderte sie, »genauso wie die Fürsten von Fingolfins Volk. Ich wollte, ich hätte einen so tapferen Bruder. Und ich glaube nicht, dass Agarwaen dein richtiger Name ist, und er passt nicht zu dir, Adanedhel. Ich nenne dich Thurin, den Geheimnisvollen.«
Bei diesen Worten fuhr Túrin zusammen, doch er sagte: »Das ist nicht mein Name, und ich bin kein König; denn unsere Könige kommen aus den Reihen der Eldar, ich aber nicht.«
Nun bemerkte Túrin, dass Gwindors Freundschaft zu ihm abkühlte. Er wunderte sich auch darüber, dass Gwindor, nachdem zunächst das Elend und der Schrecken Angbands von ihm zu weichen begonnen hatten, wieder in Sorge und Kummer zurückzusinken schien. Túrin dachte: »Vielleicht ist er gekränkt, weil ich mich seinen Vorschlägen widersetzt und die Oberhand behalten habe; ich wollte, es wäre nicht so.« Denn er liebte Gwindor, weil dieser ihn behütet und geheilt hatte, und empfand großes Mitleid mit ihm. Doch in diesen Tagen trübte sich auch Finduilas’ strahlende Heiterkeit, ihr Schritt wurde langsamer und ihr Gesicht ernst. Túrin, der es wahrnahm, argwöhnte, Gwindors Worte über das, was geschehen könne, hätten ihrem Herzen Furcht eingeflößt.
In Wahrheit war Finduilas mit sich selbst uneins. Denn sie schätzte Gwindor und bemitleidete ihn und wollte seine Leiden nicht um eine Träne vermehren. Aber gegen ihren Willen wuchs ihre Liebe zu Túrin von Tag zu Tag, und sie dachte an Beren und Lúthien. Aber Túrin war nicht wie Beren! Er achtete sie nicht gering und war froh, wenn er mit ihr zusammen war, und doch wusste sie, dass seine Liebe nicht von der Art war, die sie sich wünschte. Mit den Gedanken und mit dem Herzen war er woanders, verweilte an Flüssen in längst vergangenen Frühlingszeiten.
Schließlich meinte Túrin zu Finduilas: »Lass dich durch Gwindors Worte nicht erschrecken. Er hat in der Finsternis Angbands gelitten, und es ist hart für einen so tapferen Mann, so verkrüppelt zu sein und notgedrungen ungeschickt. Er braucht jeden Trost und noch lange Zeit, um gesund zu werden.«
»Ich weiß es wohl«, sagte Finduilas.
»Aber wir werden ihm diese Zeit verschaffen!«, sagte Túrin. »Nargothrond wird überdauern! Niemals wieder wird der Feigling Morgoth aus Angband hervorkommen, und in allem muss er sich auf
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