Die Geschichte Der Kinder Hurins. Sonderausgabe.
draußen zu locken. Und ein Bettler, wie Ihr einer seid, wird nicht weit in diese Halle und zur vornehmen Tafel vordringen, denn vorher werden die Ostlinge ihn packen, verprügeln oder noch schlimmer mit ihm verfahren.«
Da rief Túrin in hellem Zorn: »Ich soll Broddas Halle nicht betreten dürfen, und sie werden mich prügeln? Komm und sieh selbst!«
Darauf ging er in die Halle, warf seine Kapuze ab, und indem er alles beiseitestieß, was sich ihm in den Weg stellte, schritt er auf die Tafel zu, an welcher der Herr des Hauses, sein Weib und vornehme Ostlinge saßen. Da rannten einige herzu, um ihn zu packen, doch er schleuderte sie zu Boden und rief: »Gebietet niemand in diesem Haus, oder ist es eine Ork-Höhle? Wo ist der Hausherr?«
Darauf erhob sich Brodda zornig. »Ich gebiete in diesem Haus«, sagte er. Doch bevor er fortfahren konnte, sprach Túrin: »Dann hast du die Höflichkeit nicht gelernt, die vor deiner Zeit in diesem Lande zu Hause war. Ist es jetzt bei Männern Sitte geworden, dass man Anverwandte der Ehefrau von Knechten schlecht behandeln lässt? Ich bin ein solcher Verwandter, und ich habe ein Anliegen an Frau Aerin. Darf ich ungehindert nähertreten, oder muss ich mir meinen Weg mit Gewalt bahnen?«
»Tritt näher«, sagte Brodda stirnrunzelnd, doch Aerin erbleichte.
Darauf schritt Túrin an die vornehme Tafel, stand davor und verbeugte sich. »Ich bitte um Vergebung, Frau Aerin«, sagte er, »dass ich auf diese Weise bei Euch eindringe, doch mein Anliegen ist dringend und hat mich von weit hergeführt. Ich suche Morwen, die Herrin von Dor-lómin, und Nienor, ihre Tochter. Aber ihr Haus ist leer und ausgeplündert. Was könnt Ihr mir darüber sagen?«
»Nichts«, sagte Aerin in großer Furcht, denn Brodda beobachtete sie scharf.
»Das glaube ich nicht«, sagte Túrin.
Da sprang Brodda vor, und sein Gesicht war rot vor trunkenem Zorn. »Kein Wort mehr!«, schrie er. »Soll mein Weib vor meinen Augen der Lüge geziehen werden, von einem Bettler, der die Sprache der Sklaven spricht? Es gibt keine Herrin von Dor-lómin. Was aber Morwen betrifft, so gehört sie zum Sklavenvolk und ist geflohen, wie es Sklaven tun. Tue das Gleiche, und tue es schnell, oder ich werde dich an einem Baum aufhängen lassen!«
Da sprang Túrin auf ihn los, zog sein schwarzes Schwert, packte ihn bei den Haaren und zwang seinen Kopf in den Nacken. »Niemand rühre sich«, sagte er, »oder dieser Kopf wird von seinen Schultern getrennt! Frau Aerin, ich würde Euch ein zweites Mal um Vergebung bitten, wenn ich glaubte, dass dieser Lump Euch jemals etwas anderes als Schlechtes angetan hat. Doch jetzt sprecht, und weist mich nicht zurück! Bin ich nicht Túrin, Herr von Dor-lómin? Soll ich es Euch befehlen?«
»Gebietet über mich«, antwortete sie.
»Wer hat Morwens Haus geplündert?«
»Brodda«, sagte sie.
»Wann ist sie geflohen und wohin?«
»Vor einem Jahr und drei Monaten. Meister Brodda und andere Ostlinge aus dieser Gegend unterdrückten sie aufs ärgste. Vor langer Zeit war sie aufgefordert worden, in das Verborgene Königreich zu kommen, und schließlich ging sie. Die Länder dazwischen waren nämlich eine Zeitlang vom Bösen frei, dank der Tapferkeit des Schwarzen Schwertes aus dem Südland, wie man sagte; doch das ist jetzt vorbei. Sie hoffte, ihren Sohn dort zu finden. Doch wenn Ihr Túrin seid, dann, fürchte ich, ist alles schiefgegangen.«
Da lachte Túrin bitter. »Schiefgegangen?«, schrie er. »Ja,immer ging alles schief, so krumm wie Morgoths Wege!« Und plötzlich packte ihn schwarze Wut, denn ihm wurden die Augen geöffnet, die Fesseln von Glaurungs Bann fielen von ihm ab, und er erkannte die Lügen, mit denen er getäuscht worden war. »Bin ich hergekommen, durch Arglist getäuscht, um hier entehrt zu sterben, der ich zumindest mutig vor den Toren Nargothronds hätte sterben können?« Und es war ihm, als höre er aus der Nacht rings um die Halle Finduilas’ Rufe.
»Ich werde hier nicht als Erster sterben!«, rief er. Und er ergriff Brodda, und mit der Kraft, die ihm Schmerz und Zorn verliehen, hob er ihn in die Höhe und schüttelte ihn wie einen Hund. »Morwen aus dem Sklavenvolk, hast du gesagt? Du Sohn gemeiner Feiglinge, Dieb, Sklave von Sklaven!« Mit diesen Worten schleuderte er Brodda mit dem Kopf voran über seinen eigenen Tisch, geradewegs in das Gesicht eines Ostlings, der aufstand, um Túrin anzugreifen. Bei diesem Sturz brach Brodda sich das Genick; und Túrin sprang
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