Die Geschichte Der Kinder Hurins. Sonderausgabe.
Frauen unter ihren Gefangenen. Und die Tochter Orodreths spießten sie mit einem Speer an einen Baum.«
Túrin stand da wie tödlich getroffen. »Woher weißt du, dass sie es war?«, fragte er.
»Weil sie zu mir sprach, bevor sie starb«, sagte Dorlas. »Sie sah uns an, als ob sie jemanden suche, den sie erwartete, und sie sagte: ›Mormegil. Sagt dem Mormegil, dass Finduilas hier ist.‹ Mehr sagte sie nicht. Doch wegen ihrer letzten Worte betteten wir sie dort zur Ruhe, wo sie starb. Sie liegt in einem Grab unweit des Teiglin. Das ist jetzt einen Monat her.«
»Bringt mich hin«, sagte Túrin, und sie führten ihn zu einem kleinen Hügel an den Teiglin-Stegen. Dort fiel er nieder, und ein Dunkel senkte sich über ihn, sodass sie dachten, er sei tot. Doch Dorlas blickte auf den daliegenden Túrin, wandte sich dann an seine Männer und sagte: »Zu spät! Welch ein schreckliches Missgeschick. Denn seht: Hier liegt der Mormegil selbst, der große Hauptmann von Nargothrond. An seinem Schwert hätten wir ihn erkennen müssen,wie die Orks es taten.« Denn der Ruhm des Schwarzen Schwertes aus dem Süden hatte sich überall verbreitet, sogar in den Tiefen der Wälder.
Darum hoben sie ihn jetzt voller Ehrfurcht auf und trugen ihn nach Ephel Brandir. Und Brandir, der ihnen entgegenkam, wunderte sich über die Bahre, die sie trugen. Dann zog er den Überwurf beiseite, blickte in Túrins Gesicht, und ein Schatten fiel auf sein Herz. »Ihr grausamen Männer Haleths!«, rief er. »Warum habt ihr diesen Mann vor dem Tod bewahrt? Was ihr mit großer Mühe hierher gebracht habt, ist das endgültige Verderben unseres Volkes.«
Doch die Waldmenschen sagten: »Nein, es ist der Mormegil aus Nargothrond, ein gewaltiger Töter von Orks, und er wird uns eine große Hilfe sein, wenn er am Leben bleibt. Und wäre es auch nicht so, hätten wir denn einen vom Leid niedergestreckten Mann wie ein Stück Aas am Wege liegen lassen sollen?«
»Gewiss nicht«, antwortete Brandir. »Das Schicksal wollte es nicht so.« Und er nahm Túrin in sein Haus und pflegte ihn sorgsam.
Als Túrin endlich das Dunkel abschüttelte, war der Frühling zurückgekehrt, und er erwachte und sah die Sonne auf den grünen Knospen. Da regte sich auch der Lebensmut des Hauses Hador wieder in ihm, er stand auf und sprach zu sich selbst: »Alle meine Taten und vergangenen Tage waren dunkel und böse. Aber es ist ein neuer Tag angebrochen. Hier will ich in Frieden leben und mich von meinem Namen und von meiner Sippe lossagen, und so will ich meinen Schatten hinter mir lassen oder ihn zumindest nicht über jene bringen, die ich liebe.«
Darum nahm er einen neuen Namen an und nannte sichselbst Turambar, was in der Sprache der Hoch-Elben »Meister des Schicksals« bedeutet. Und er lebte bei den Waldmenschen und wurde von ihnen geliebt, und er verpflichtete sie, seinen alten Namen zu vergessen und ihn als jemanden zu betrachten, der in Brethil geboren war. Doch wenn er seinen Namen auch geändert hatte, so konnte er sein hitziges Gemüt dennoch nicht völlig bezähmen und seinen alten Groll nie ganz verwinden, den er gegen die Knechte Morgoths hegte. Und er fuhr fort, mit einigen Gleichgesinnten die Orks zu jagen, obwohl Brandir dies nicht behagte. Dieser hoffte nämlich, sein Volk durch Stillhalten besser vor dem Verderben zu schützen.
»Den Mormegil gibt es nicht mehr«, sagte er, »doch gib Acht, dass die Tapferkeit Turambars nicht eine ähnliche Vergeltung für Brethil heraufbeschwört!«
So legte Turambar sein schwarzes Schwert beiseite und nahm es nicht mehr in den Kampf mit und benutzte nur noch Bogen und Speer. Doch er wollte es nicht dulden, dass die Orks die Teiglin-Stege benutzten oder Finduilas’ Grab zu nahe kamen. Dieser Ort wurde Haudh-en-Elleth genannt, der Grabhügel des Elbenmädchens, und bald lernten die Orks diesen Ort fürchten und mieden ihn. Und Dorlas sagte zu Turambar: »Du hast den Namen abgelegt, doch du
bist noch immer das Schwarze Schwert; und gibt es nicht Gerüchte, die sagen, hinter diesem Namen verberge sich in Wirklichkeit der Sohn Húrins von Dor-lómin, Herr des Hauses Hador?«
Turambar erwiderte: »Solche Gerüchte gab es. Doch ich bitte dich, nicht laut davon zu sprechen, wenn du mein Freund bist.«
KAPITEL 14
DIE REISE MORWENS UND
NIENORS NACH NARGOTHROND
A ls der Grausame Winter sich zurückzog, kamen neue Nachrichten aus Nargothrond nach Doriath. Denn einige, die aus der geplünderten Stadt entkommen waren und den Winter
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