Die Geschichte Der Kinder Hurins. Sonderausgabe.
hinterdrein und erschlug drei weitere Männer, die sich zusammenkauerten, weil sie waffenlos waren. Die Halle geriet in Aufruhr. Die Ostlinge, die dort saßen, wollten auf Túrin losgehen, doch zu viele andere, die dem alten Volk von Dor-lómin angehörten, waren dort versammelt: Lange waren sie zahme Knechte gewesen, aber jetzt erhoben sie sich schreiend zum Aufstand. Im Nu tobte in der Halle ein heftiger Kampf, und obwohl die Sklaven den Dolchen und Schwertern nichts entgegenzusetzen hatten als Fleischmesser und andere Gegenstände, die zur Hand waren, gab es auf beiden Seiten viele Tote, noch bevor Túrin mitten in das Getümmel sprang und die letzten Ostlinge erschlug, die in der Halle übrig geblieben waren.
Dann lehnte er sich an eine Säule, schöpfte Atem, und das Feuer seines Zorns erlosch zu Asche. Aber Sador, der Alte, kroch zu ihm und umklammerte seine Knie, denn er war zu Tode verwundet. »Dreimal sieben Jahre und mehr! Lange haben wir auf diese Stunde gewartet«, sagte er. »Aber jetzt geht, Herr, geht! Geht und kehrt nicht zurück, es sei denn mit einer großen Streitmacht. Sie werden das Land gegen Euch aufhetzen. Viele sind aus der Halle geflohen. Geht, oder Ihr werdet hier sterben. Lebt wohl!« Dann sank er zu Boden und starb.
»Aus ihm spricht die Wahrheit des Todes«, sagte Aerin. »Ihr habt erfahren, was Ihr wissen wolltet. Jetzt geht rasch! Aber geht zuerst zu Morwen und tröstet sie, sonst wird es mir schwerfallen, all die Zerstörung, die Ihr hier angerichtet habt, zu verzeihen. Wenn mein Leben auch übel war, so habt Ihr mir durch Eure Gewalt den Tod gebracht. Die Eindringlinge werden für diese Nacht an allen, die dabei waren, Rache nehmen. Unbesonnen sind Eure Taten, Sohn Húrins, als wäret Ihr noch das Kind, das ich kannte.«
»Und dein Herz ist furchtsam, Aerin, Tochter Indors, so wie einst, als ich dich Tante nannte und ein garstiger Hund dich erschreckte«, erwiderte Túrin. »Du warst für eine freundlichere Welt bestimmt. Aber nun komm fort von hier! Ich werde dich zu Morwen bringen.«
»Der Schnee lastet auf dem Land, doch mehr noch auf meinem Haupt«, gab sie zur Antwort. »In der Wildnis mit Euch würde ich ebenso schnell sterben wie durch die grausamen Ostlinge. Ihr könnt nicht wiedergutmachen, was Ihr getan habt. Geht! Hierzubleiben würde alles noch schlimmer machen und Morwen sinnlos berauben. Geht, ich bitte Euch!«
Darauf verbeugte sich Túrin tief vor ihr, wandte sich um und verließ Broddas Halle; doch all die Aufrührer, die noch bei Kräften waren, folgten ihm. Sie flohen in Richtung der Berge; denn einige unter ihnen kannten die Pfade in der Wildnis gut, und sie waren glücklich über den Schnee, der hinter ihnen fiel und ihre Spuren zudeckte. Und obwohl man sie alsbald mit vielen Männern, Hunden und Wiehern von Pferden verfolgte, entkamen sie so nach Süden ins Gebirge. Als sie von dort zurückblickten, sahen sie weit in der Ferne des Landes, das sie verlassen hatten, einen roten Lichtschein.
»Sie haben die Halle in Brand gesetzt«, sagte Túrin. »Aber warum?«
»Die Ostlinge? Nein, Herr, Aerin hat es getan, glaube ich«, sagte einer, Asgon mit Namen. »Mancher Mann, der Waffen trägt, deutet Geduld und Ruhe falsch. Sie hat uns zu einem hohen Preis viel Gutes getan. Ihr Herz war nicht schwach, und zum Schluss hatte die Geduld ein Ende.«
Nun blieben einige der robustesten Männer, die dem Winter standhalten konnten, bei Túrin, und sie führten ihn über unbekannte Pfade zu einer Zuflucht in den Bergen, einer Höhle, die Geächteten und Entflohenen bekannt war und wo sich ein Vorrat an Lebensmitteln befand. Dort warteten sie, bis es zu schneien aufhörte; dann gaben sie ihm Wegzehrung und führten ihn zu einem kaum begangenen Pass, der nach Süden in das Tal des Sirion führte, wo kein Schnee lag. Dort, wo der Pfad hinabführte, schieden sie voneinander.
»Nun lebt wohl, Herr von Dor-lómin«, sagte Asgon. »Aber vergesst uns nicht. Wir sind jetzt Gejagte, und wegen Eures Auftauchens wird das Wolfsvolk noch grausamer sein. Deshalb geht, und kehrt erst zurück, wenn Ihr stark genug seid, um uns zu befreien. Lebt wohl!«
KAPITEL 13
TÚRINS ANKUNFT IN BRETHIL
N un stieg Túrin zum Sirion hinab, und er war innerlich zerrissen. Hatte er früher die bittere Wahl zwischen zwei Entscheidungen gehabt, so schien es ihm nun, als seien es drei geworden und sein unterdrücktes Volk rufe ihn, dessen Leiden er noch vermehrt hatte. Ihm blieb nur der eine Trost: dass
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