Die Geschichte Der Kinder Hurins. Sonderausgabe.
wurde es allmählich Sommer.
Es kam ein Tag, an dem zwei Männer schreckerfüllt nach Ephel Brandir zurückkehrten, denn sie hatten den GroßenWurm gesehen. »Es ist die Wahrheit, Herr«, sagten sie zu Turambar, »er kriecht nun in gerader Linie auf den Teiglin zu. Er liegt inmitten eines großen Brandes, und rings um ihn rauchen die Bäume. Sein Gestank ist kaum zu ertragen. Und von Nargothrond her zieht er meilenweit eine stinkende Schneise, die geradewegs auf uns zuführt. Was können wir tun?«
»Wenig«, antwortete Turambar, »aber über dieses Wenige habe ich schon nachgedacht. Die Nachrichten, die ihr bringt, flößen mir eher Hoffnung als Furcht ein. Wenn er nämlich wirklich geradeaus weiterkriecht, wie ihr sagt, und nicht abschwenkt, dann habe ich einen Plan für unerschrockene Männer.« Sie wunderten sich, denn er beließ es zunächst bei diesen Worten; aber sein standhaftes Auftreten ließ sie neuen Mut schöpfen.
Der Lauf des Teiglin nun war folgendermaßen: Schnell wie der Narog floss er von den Ered Wethrin herab, doch zunächst zwischen niedrigen Ufern, bis er hinter den Stegen durch weitere Zuflüsse Kraft gewann und sich am Fuß der Hochlande, auf denen sich der Wald von Brethil erhob, seinen Weg durch den Felssockel grub. Danach lief er durch tiefe Schluchten, deren gewaltige Seitenwände wie Steinmauern aufragten und an deren Grund das eingeschlossene Wasser mit großer Gewalt lärmend dahinströmte. Unmittelbar auf dem Weg Glaurungs lag nun eine dieser Schluchten, keineswegs die tiefste, aber die engste, genau nördlich oberhalb der Einmündung des Celebros. Darum sandte Turambar drei wagemutige Männer aus, die vom Rand der Schlucht die Bewegungen des Drachen beobachten sollten; er selbst jedoch wollte zum hohen Wasserfall von Nen Girithreiten, wo ihn Nachrichten rasch erreichen konnten und von wo er selbst das Land weit überschauen konnte.
Doch zuerst rief er die Waldmenschen in Ephel Brandir zusammen und sprach zu ihnen: »Männer von Brethil, eine tödliche Gefahr naht, und nur großer Mut wird sie abwenden. Doch hierbei würde ein großes Aufgebot wenig nützen; wir müssen eine List anwenden und auf Glück hoffen. Wenn wir mit unserer gesamten Streitmacht gegen den Drachen anrückten wie gegen ein Heer von Orks, würden wir uns bloß dem Tod ausliefern und unsere Frauen und Kinder wehrlos zurücklassen. Deshalb sage ich, dass ihr hierbleiben und euch auf die Flucht vorbereiten sollt. Denn wenn Glaurung kommt, müsst ihr Ephel Brandir aufgeben und euch in alle Richtungen zerstreuen. So könnten einige entkommen und überleben. Denn mit Sicherheit wird der Drache diesen Ort zerstören, wenn er kann, und alle vernichten, die er zu Gesicht bekommt. Doch danach wird er hier nicht bleiben. In Nargothrond liegt sein ganzer Schatz, und dort sind die tiefen Hallen, in denen er sicher ruhen und wachsen kann.«
Da waren die Männer entsetzt und am Boden zerstört, denn sie vertrauten auf Turambar und hatten hoffnungsvollere Worte erwartet. Aber er sagte weiter: »Nun, dies wäre der schlimmste Fall. Und er wird nicht eintreten, wenn mein Plan gut und das Glück uns hold ist. Ich glaube nämlich nicht daran, dass dieser Drache unbesiegbar ist, auch wenn seine Stärke und Bösartigkeit mit den Jahren immer größer wird. Ich weiß einiges über ihn. Seine Macht beruht eher auf dem bösen Geist, der in ihm wohnt, als auf seiner reinen Körperkraft, so groß diese auch sei. Vernehmt nun diese Geschichte, die mir einige Männer erzählten, die im Jahre der Nirnaeth kämpften, als ich und die meisten von euch nochKinder waren. Auf jenem Schlachtfeld widerstanden ihm die Zwerge, und Azaghâl von Belegost verletzte ihn durch einen tiefen Stich so schwer, dass Glaurung nach Angband zurückfloh. Doch ich habe hier einen Dorn, der schärfer und länger ist als Azaghâls Messer.«
Und Turambar zog Gurthang aus der Scheide und führte damit einen Stoß über seinen Kopf aus, und denen, die es sahen, schien es, als springe aus Turambars Hand eine Flamme viele Fuß hoch in die Luft. Da stießen sie einen lauten Ruf aus: »Der Schwarze Dorn von Brethil!«
»Der Schwarze Dorn von Brethil«, wiederholte Turambar. »Möge er ihn wohl fürchten! Denn ihr müsst wissen: Es ist die Schwachstelle dieses Drachen (und all seiner Brut, sagt man), dass er, so mächtig sein Hornpanzer auch immer sein mag und härter als Eisen, auf seiner Unterseite den Bauch einer Schlange hat. Darum, Männer von Brethil, gehe ich
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