Die Geschichte Der Kinder Hurins. Sonderausgabe.
geschwächt.«
»Nein, nein!«, rief Brandir voll Herzensqual. »Dein Haus ist leer. Níniel ist nicht dort. Sie ist tot.«
Aber eine der Frauen – Dorlas’ Weib, das Brandir nicht wohlgesonnen war – kreischte: »Hör nicht auf ihn, Herr! Denn er ist wahnsinnig. Er kam her und schrie, du wärest tot, und nannte es eine gute Nachricht. Doch du lebst. Warum soll wahr sein, was er von Níniel erzählt hat, dass sie tot sei und noch Schlimmeres?«
Da ging Túrin auf Brandir zu: »Mein Tod war eine gute Nachricht?«, schrie er. »Ja, du hast sie mir immer geneidet, das wusste ich. Jetzt ist sie tot, sagst du. Und noch Schlimmeres? Welche Lüge hast du dir in deiner Bosheit ausgedacht, Klumpfuß? Wolltest du uns denn mit üblen Worten töten, weil du keine anderen Waffen gebrauchen kannst?«
Da vertrieb Zorn das Mitleid aus Brandirs Herz, und er schrie: »Wahnsinnig? Nein, der Wahnsinnige bist du, Schwarzes Schwert des schwarzen Schicksals! Und dieses ganze schwachsinnige Volk. Ich lüge nicht! Níniel ist tot, tot, tot! Suche sie im Teiglin!«
Da stand Túrin stumm und kalt. »Woher weißt du das?«, fragte er leise. »Wie kommst du darauf?«
»Ich weiß es, weil ich sie springen sah«, antwortete Brandir. »Doch der Schuldige warst du. Sie floh vor dir, Túrin, Húrins Sohn, und warf sich selbst in die Cabed-en-Aras, damit sie dich nie wiedersehen müsste. Níniel! Níniel? Nein, Nienor, Húrins Tochter!«
Da packte ihn Túrin und schüttelte ihn, denn durch diese Worte vernahm er die Schritte seines Verhängnisses, die ihn einholten; doch in Entsetzen und Raserei leugnete er sie, so wie ein zu Tode gehetztes Tier alles in seiner Nähe verwunden will, bevor es stirbt.
»Ja, ich bin Túrin, Húrins Sohn«, schrie er. »So hast du es seit langem geahnt. Doch von Nienor, meiner Schwester,weißt du nichts. Nichts! Sie lebt im Verborgenen Königreich und ist in Sicherheit. Es ist eine Ausgeburt deiner eigenen gemeinen Seele, mein Weib um seinen Verstand zu bringen, und jetzt mich. Du humpelndes Übel – wolltest du uns beide in den Tod treiben?«
Doch Brandir machte sich los. »Rühr mich nicht an!«, sagte er. »Hör auf mit dem tollen Gerede. Sie, die du dein Weib nennst, kam zu dir und pflegte dich, und du antwortetest nicht auf ihren Ruf. Doch ein anderer tat es für dich. Glaurung der Drache, dessen Zauberwerk, wie ich glaube, für euer beider Verhängnis verantwortlich ist. Und bevor er starb, sagte er: ›Nienor, Tochter Húrins, hier ist dein Bruder, ein hinterlistiger Feind, ein treuloser Freund und ein Fluch für seine Sippe: Túrin, Húrins Sohn.‹« Da wurde Brandir plötzlich von einem verrückten Gelächter gepackt. »Auf dem Totenbett, sagt man, sprechen die Menschen die Wahrheit«, kicherte er. »Und ein Drache ebenfalls, wie es scheint! Túrin, Húrins Sohn, ein Fluch für deine Sippe und für alle, die dir Zuflucht gewähren!«
Da griff Túrin nach Gurthang, und ein schreckliches Leuchten war in seinen Augen. »Und was soll man von dir sagen, Klumpfuß?«, sagte er langsam. »Wer hat ihr heimlich hinter meinem Rücken meinen richtigen Namen genannt? Wer führte sie zu dem tückischen Drachen? Wer stand dabei und ließ sie sterben? Wer kam hierher, um schnellstens diese entsetzliche Nachricht zu verbreiten? Wer weidet sich jetzt an meinem Anblick? Sprechen Menschen die Wahrheit, bevor sie sterben? Dann sprich sie jetzt, rasch!«
Brandir, der in Túrins Gesicht seinen eigenen Tod las, stand still und zitterte nicht, obwohl er außer seiner Krücke keine Waffe hatte, und er sagte: »Es wäre eine lange Geschichte, wollte ich alles erzählen, was sich ereignet hat, und ich bin deiner müde. Aber du verleumdest mich, Sohn Húrins. Hat Glaurung dich verleumdet? Wenn du mich erschlägst, dann werden alle sehen, dass er es nicht getan hat. Doch ich fürchte mich nicht vor dem Tod, denn dann werde ich Níniel suchen gehen, die ich liebte, und vielleicht finde ich sie jenseits des Meeres wieder.«
»Níniel suchen!«, schrie Túrin. »Nein, Glaurung wirst du finden und mit ihm zusammen Lügen ausbrüten. Mit dem Wurm zusammen wirst du schlafen, deinem Seelenfreund, und in einer Finsternis mit ihm verwesen!« Dann hob er Gurthang, hieb nach Brandir und schlug ihn tot. Die Menschen aber bedeckten ihre Augen vor dieser Tat, und als Túrin sich umwandte und Nen Girith verließ, flohen sie vor ihm voller Schrecken.
Dann irrte Túrin wie einer, der seinen Verstand verloren hat, durch die wilden
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