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Die Geschichte der Liebe (German Edition)

Die Geschichte der Liebe (German Edition)

Titel: Die Geschichte der Liebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Krauss
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riss sich aus dem Schlaf.
    Ich wäre jetzt so weit, nach Hause zu fahren , sagte ich.
    Zu meiner Überraschung stieg er aus, machte die Tür auf und half mir einsteigen.
    Als ich in die Wohnung kam, glaubte ich, die Einbrecher seien da gewesen. Möbel waren umgekippt, der Boden mit weißem Puder bestäubt. Ich packte den Baseballschläger, den ich im Schirmständer stehen habe, und folgte der Fußspur in die Küche. Jede freie Fläche stand voller Töpfe, Pfannen und schmutziger Schüsseln. Es sah so aus, als hätte sich, wer auch immer eingebrochen war, um mich zu bestehlen, Zeit für eine Mahlzeit genommen. Ich stand da, mit dem Foto in der Hose. Hinter mir tat es einen Schlag, ich drehte mich und holte blindlings aus. Aber es war nur ein Topf von der Anrichte gerutscht und über den Boden gerollt. Auf dem Küchentisch, neben meiner Schreibmaschine, stand ein großer Kuchen, in der Mitte eingesunken. Aber er stand. Er war mit gelbem Zuckerguss glasiert, und obendrauf, mittendrüber stand in schludrigen rosa Buchstaben: SCHAU WER KUCHEN GEBACKEN HAT. Auf der anderen Seite der Schreibmaschine lag eine Notiz: HABE DEN GANZEN TAG GEWARTET.
    Ich konnte nicht umhin zu lächeln. Ich legte den Baseballschläger weg, stellte die Möbel auf, die ich, wie ich mich nun erinnerte, in der Nacht zuvor umgeworfen hatte, zog den Bilderrahmen heraus, hauchte auf das Glas, rieb es mit meinem Hemd ab und stellte ihn auf meinen Nachttisch. Ich ging die Treppe zu Brunos Stockwerk hinauf. Ich wollte eben klopfen, als ich den Zettel an der Tür sah: BITTE NICHT STÖREN. GESCHENK UNTER DEINEM KOPFKISSEN.
    Es war lange her, dass jemand mich beschenkt hatte. Ein Glücksgefühl stupste mein Herz. Dass ich jeden Morgen aufwache und die Hände an einer Tasse heißen Tees wärmen kann. Dass ich die Tauben fliegen sehe. Dass Bruno mich am Ende meines Lebens nicht vergessen hat.
    Also zurück, die Treppe hinunter. Um das Vergnügen, von dem ich wusste, es stand mir bevor, ein wenig hinauszuzögern, holte ich noch die Post aus dem Kasten. Dann schloss ich die Wohnungstür wieder auf. Bruno hatte es fertig gebracht, den Fußboden der gesamten Wohnung mit einer feinen Schicht Mehlstaub zu überziehen. Vielleicht hatte ein Wind reingeblasen, wer weiß. Im Schlafzimmer sah ich, dass er sich auf den Boden gelegt und einen Engel ins Mehl gemacht hatte. Ich ging darum herum, wollte nicht zerstören, was so liebevoll gerichtet war. Ich hob mein Kopfkissen.
    Es war ein großer brauner Umschlag. Außen drauf stand mein Name, in einer Handschrift, die ich nicht erkannte. Ich machte ihn auf. Innen war ein Stoß gedruckter Seiten. Ich begann zu lesen. Die Wörter kamen mir vertraut vor. Einen Augenblick konnte ich sie nicht zuordnen. Dann wurde mir bewusst, es waren meine eigenen.

DAS ZELT MEINES VATERS
    1. MEIN VATER SCHRIEB NICHT GERN BRIEFE
Die alte Cadbury-Dose voller Briefe meiner Mutter enthält nicht seine Antworten. Ich habe überall danach gesucht, sie aber nie gefunden. Er hat mir auch keinen Brief hinterlassen, den ich hätte öffnen können, als ich älter wurde. Ich weiß das, weil ich meine Mutter gefragt habe, und sie hat nein gesagt. Sie sagte, er habe nicht zu dieser Sorte Mann gehört. Als ich sie fragte, zu welcher Sorte Mann er denn gehört habe, dachte sie eine Minute nach. Ihre Stirn legte sich in Falten. Sie dachte noch ein wenig nach. Dann sagte sie, er habe zu der Sorte Mann gehört, die Autoritäten in Frage stellt. «Und», sagte sie, «er stand ständig unter Dampf.» Das hatte sie früher schon immer gesagt. So habe ich ihn aber gar nicht in Erinnerung. Ich erinnere ihn immerzu in Sesseln sitzend oder in Betten liegend. Außer als ich noch sehr klein war und er Zug gefahren war. Ich glaubte nämlich, unter Dampf stehen bedeute einen Zug fahren. Damals stellte ich ihn mir auf dem Sitz einer kohlschwarzen Dampflok vor, eine Schlange glänzender Personenwagen hinter sich herziehend. Eines Tages lachte mein Vater und korrigierte mich. Mit einem Schnipper war alles klar. Es war einer dieser unvergesslichen Momente, die man als Kind erlebt, wenn man entdeckt, dass die Welt einen die ganze Zeit betrogen hat.
    2. ER SCHENKTE MIR EINEN KUGELSCHREIBER, DER OHNE SCHWERKRAFT SCHRIEB
«Er funktioniert ohne Schwerkraft», sagte mein Vater, während ich ihn in der Samtschachtel mit dem NASA-Aufdruck inspizierte. Es war mein siebter Geburtstag. Mein Vater lag in einem Krankenhausbett und trug einen Hut, weil er keine Haare mehr hatte. Glänzendes

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