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Die Geschichte der Liebe (German Edition)

Die Geschichte der Liebe (German Edition)

Titel: Die Geschichte der Liebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Krauss
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Shklovsky
b) Luba die Große
c) Bird
d) Meine Mutter
e) Isaac Moritz
    15. ICH SOLLTE
mehr rausgehen, in ein paar Vereine eintreten und mir etwas Neues zum Anziehen kaufen, die Haare blau färben, mich von Herman Cooper im Auto seines Vaters spazieren fahren, mich küssen und ihn womöglich sogar meinen nicht existierenden Busen betasten lassen. Ich sollte ein paar nützliche Fähigkeiten entwickeln, wie Reden halten, elektrisches Cello spielen oder schweißen, wegen meiner Bauchschmerzen zum Arzt gehen, einen Helden finden, der kein Kinderbuch geschrieben hat und mit dem Flugzeug abgestürzt ist, aufhören, Dads Zelt in Rekordzeit aufzubauen, meine Notizbücher wegwerfen, gerade stehen und mir abgewöhnen, jede Frage nach meinem Wohlergehen zu beantworten wie ein züchtiges englisches Schulmädchen, das glaubt, das Leben sei nichts als eine lange Vorbereitung auf ein Häppchen bei der Queen.
    16. HUNDERT DINGE KÖNNEN DEIN LEBEN VERÄNDERN
Ich zog meine Schreibtischschublade auf und durchwühlte sie nach dem Zettel, auf dem ich mir die Adresse von Jacob Marcus, der in Wirklichkeit Isaac Moritz war, notiert hatte. Unter einem Zeugnisblatt fand ich einen alten Brief von Misha, einen seiner ersten. Liebe Alma, schrieb er. Wieso du kennst mich so gut? Ich glaube, wir gleichen uns wie ein Ei dem anderen. Es stimmt, ich mag John lieber als Paul. Aber Ringo schätze ich auch sehr.
Am Samstagmorgen zog ich mir eine Karte mit Wegbeschreibung aus dem Internet und sagte meiner Mutter, ich würde den Tag bei Misha verbringen. Dann ging ich ein Stück die Straße entlang und klopfte bei Coopers an die Haustür. Herman kam mit abstehenden Haaren und in einem Sex-Pistols-T-Shirt heraus. «Wow», sagte er, als er mich sah. Er trat von der Tür zurück. «Hast du Lust auf eine Spazierfahrt?», fragte ich. «Soll das ein Witz sein?» – «Nein.» – «Oookaay», sagte Herman. «Rühr dich nicht vom Fleck, bitte.» Er ging nach oben, um seinen Vater nach den Schlüsseln zu fragen, und als er wieder herunterkam, hatte er sein Haar befeuchtet und ein frisches blaues T-Shirt angezogen.
    17. SIEH MICH AN
«Wohin fahren wir, nach Kanada?», fragte Herman, als er die Karte sah. Um sein Handgelenk, dort, wo er den Sommer über seine Uhr getragen hatte, war ein blasser Streifen. «Connecticut», sagte ich. «Nur, wenn du diese Kapuze abziehst», sagte er. «Warum?» – «Ich kann dein Gesicht nicht sehen.» Ich schob sie nach hinten. Er lächelte mich an. In seinen Augenwinkeln war noch Schlaf. Ein Regentropfen rollte ihm über die Stirn. Ich las ihm die Route vor, und wir sprachen über die Colleges, bei denen er sich fürs nächste Jahr bewarb. Er sagte, er denke an Meeresbiologie als Hauptfach, weil er ein Leben führen wolle wie Jacques Cousteau. Ich dachte, wir hätten vielleicht mehr gemeinsam, als ich ursprünglich angenommen hatte. Er fragte, was ich werden wolle, und ich sagte, ich hätte kurz Paläontologie erwogen, und dann fragte er, was ein Paläontologe denn tue, also sagte ich, wenn er einen illustrierten Führer durch das Metropolitan Museum of Art nähme, ihn in hundert Schnipsel risse, sie von den Stufen des Museums aus in den Wind streute und so weiter, da fragte er mich, warum ich meine Meinung geändert hätte, und ich sagte, das sei wohl doch nicht das Richtige für mich, worauf er fragte, was ich denn meinte, was das Richtige für mich sei, und ich sagte: «Das ist eine lange Geschichte», da sagte er: «Ich habe Zeit», und ich: «Willst du das wirklich wissen?», und er sagte ja, also erzählte ich ihm die Wahrheit, angefangen beim Schweizer Armeemesser meines Vaters und dem Buch Essbare Pflanzen und Blüten in Nordamerika bis hin zu meinen Plänen, eines Tages die arktische Wildnis mit nichts anderem als dem, was ich auf dem Rücken tragen konnte, zu erforschen. «Ich wünschte, du würdest das nicht machen», sagte er. Dann nahmen wir eine falsche Ausfahrt und hielten an einer Tankstelle, um nach dem Weg zu fragen und ein paar Sweet Tarts zu kaufen. «Die gehen auf mich», sagte Herman, als ich mein Portemonnaie zückte. Als er einen Fünf-Dollar-Schein zur Kasse hinüberreichte, zitterten ihm die Hände.
    18. ICH ERZÄHLTE IHM DIE GANZE GESCHICHTEDER GESCHICHTE DER LIEBE
Es regnete so stark, dass wir am Straßenrand halten mussten. Ich zog meine Turnschuhe aus und legte die Füße auf das Armaturenbrett. Herman schrieb meinen Namen an die beschlagene Windschutzscheibe. Dann erinnerten wir uns an eine

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