Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman
wenn man ihr alle Tage Amüsements nach ihrem Geschmack bot. Allerdings waren ihr diese Lustbarkeiten so unentbehrlich, dass ohne dergleichen weder auf ihre gute Laune noch auf ihre Zuneigung zu zählen war. Obwohl sie mich zärtlich liebte und ich, wie sie aus freien Stücken bekannte, der Einzige war, der ihr vollkommene Liebesfreuden zu bieten vermochte, war ich mir beinahe sicher, dass ihre Liebe gewissen Befürchtungen nicht gewachsen sein würde. Sie hätte mich der ganzen Welt vorgezogen, wenn ich über ein mittleres Vermögen verfügt hätte; doch zweifelte ich nicht im Geringsten daran, dass sie mich um irgendeines neuen Monsieur B… willen verlassen würde, sollte ich ihr nur noch Beständigkeit und Treue zu bieten haben. Ich beschloss also, meine eigenen Ausgaben so zu gestalten, dass ich immer in der Lage war, für die ihren aufzukommen, und eher auf tausend notwendige Dinge zu verzichten als ihr selbst für Überflüssiges Grenzen zu setzen.
Mehr als alles andere machte mir die Kutsche Angst, denn es sah nicht so aus, als würde ich mir Pferde und einen Kutscher halten können. In meiner Not vertraute ich mich Monsieur Lescaut an. Ich hatte ihm nicht verheimlicht, dass ich von einem Freund hundert Pistolen erhalten hatte. Er wiederholte, wenn ich mein Glück im Spiel versuchen wolle, so zweifele er nicht, dass ich auf seine Empfehlung hin, wenn ich großzügig hundert Franc opfern würde, um seine Teilhaber zu bewirten, mit ins Geschäft genommen würde. So sehr ich es auch verabscheute zu betrügen, ich ließ mich doch von der schieren Notwendigkeit dazu hinreißen.
Monsieur Lescaut stellte mich noch am selben Abend als jemanden aus seiner Verwandtschaft vor; er setzte hinzu, dass ich umso mehr auf Erfolg erpicht sei, als ich der äußersten Gunst des Geschicks bedürfe. Doch um ihnen anzudeuten, dass meine Notlage nicht die eines völlig mittellosen Mannes war, sagte er ihnen, ich hätte die Absicht, sie zum Nachtmahl einzuladen. Das Angebot wurde angenommen. Ich bewirtete sie glanzvoll.
Sie sprachen ausführlich über mein vorteilhaftes Äußeres und meine günstigen Voraussetzungen. Sie erklärten, ich gebe zu den schönsten Hoffnungen Anlass, denn da es in meiner Physiognomie etwas gebe, das an einen ehrlichen Menschen gemahne, würde niemand argwöhnen, ich könne betrügen. Schließlich dankten sie Monsieur Lescaut dafür, dass er dem Orden einen so vorzüglichen Novizen zugeführt habe, und einem der Ordensritter wurde aufgetragen, mir im Laufe der nächsten Tage die nötigen Unterweisungen zu erteilen.
Der Schauplatz meiner Taten sollte vor allem das «Hôtel de Transylvanie» 13 sein, wo in einem Saal ein Pharo-Tisch 14 bereitstand und auf der Galerie verschiedene andere Karten- und Würfelspiele stattfanden. Dieses Casino arbeitete zugunsten des Fürsten von R…, der damals in Clagny wohnte, und die meisten seiner Offiziere gehörten unserem Konsortium an. Muss ich es zu meiner Schande gestehen? Schon in kurzer Zeit trugen die Lektionen meines Meisters Früchte. Ich erwarb vor allem große Geschicklichkeit darin, passende Karten aufzudecken oder unterzuschieben, und mit Hilfe eines Paares langer Manschetten ließ ich sie geschickt genug verschwinden, um auch die geübtesten Augen zu täuschen und viele ehrliche Spieler zu ruinieren, ohne mit der Wimper zu zucken. Diese außerordentliche Fertigkeit half meinem Glück dermaßen auf die Beine, dass ich schon nach wenigen Wochen im Besitz beträchtlicher Summen war, ungeachtet jener, die ich ehrlich mit meinen Gesellschaftern teilte. Und so hatte ich auch keine Angst mehr, Manon unseren Verlust von Chaillot zu offenbaren, und um sie zu trösten, als ich ihr diese unerfreuliche Nachricht eröffnete, mietete ich ein möbliertes Haus, in dem wir uns mit dem Anschein gesicherten Wohlstands einrichteten.
Tiberge hatte es sich nicht nehmen lassen, mich während dieser Zeit immer wieder aufzusuchen. Seine Ermahnungen nahmen kein Ende. Unaufhörlich hielt er mir vor, wie sehr ich meinem Gewissen, meiner Ehre und meinem Glück schadete. Ich nahm seine Ratschläge freundschaftlich entgegen, und hatte ich auch nicht die geringste Absicht, ihnen zu folgen, so war ich ihm doch für seinen Eifer dankbar, denn ich kannte dessen Ursache. Zuweilen neckte ich ihn ironisch, sogar in Gegenwart Manons, und ich mahnte ihn, nicht heikler zu sein als eine Vielzahl von Bischöfen und anderen geistlichen Herren, die sich sehr wohl darauf verstünden, eine Geliebte
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