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Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman

Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman

Titel: Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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erwacht wäre, kurz, ein Herz, das der Liebe entsagt hätte und vom Zauber seiner Manon geheilt wäre, dann haben Sie allzu wohlmeinend über mich geurteilt. Sie sehen mich so wieder, wie Sie mich vor vier Monaten zurückgelassen haben: Noch immer liebevoll und noch immer unglücklich wegen dieser verhängnisvollen Liebe, in der mein Glück zu suchen ich nicht müde werde.»
    Er antwortete, das Geständnis, das ich da ablege, zeige, dass es keine Erlösung für mich gebe; man sehe ja immer wieder Sünder, die sich so sehr am trügerischen Glück des Lasters berauschten, dass sie es dem der Tugend bei Weitem vorzögen; doch seien es immerhin Bilder des Glücks, denen sie anhingen und auf deren Schein sie hereinfielen; doch zu erkennen, wie ich es ja täte, dass das Objekt meiner Vernarrtheit nur dazu angetan sei, mich schuldig und unglücklich zu machen, und dennoch sich weiterhin aus freien Stücken in Elend und Verbrechen zu stürzen, das sei ein Widerspruch zwischen Denken und Verhalten, der meiner Vernunft keine Ehre mache.
    «Tiberge», ergriff ich wieder das Wort, «Sie haben leicht siegen, da man Ihren Waffen ja gar nichts entgegensetzt! Lassen Sie mich Ihnen nun meine Argumentation darlegen. Wollen Sie wirklich behaupten, dass das, was Sie das Glück der Tugend nennen, frei von Schmerzen, Widrigkeiten und Furcht ist? Als was würden Sie Kerker, Kreuz, Marter und Folter bezeichnen, deren sich Tyrannen bedienen? Würden Sie sagen, wie es die Mystiker tun, dass das, was den Körper quält, der Seele zum Glück gereicht? Das werden Sie nicht wagen, es ist ein unhaltbares Paradoxon. Dieses Glück, das Sie so preisen, ist also von tausend Schmerzen durchsetzt, oder treffender gesagt, es ist nichts als ein Wust aus Unglück, durch den hindurch man zur Glückseligkeit strebt. Wenn nun die Einbildungskraft uns in ebendiesen Übeln Wonnen finden lässt, weil sie zu einem glücklichen und erhofften Ziel führen können, warum nennen Sie dann eine ganz ähnliche Disposition in meinem Verhalten widersprüchlich und unsinnig? Ich liebe Manon; ich strebe danach, durch tausend Schmerzen hindurch in Glück und Ruhe mit ihr zu leben. Der Weg, den ich einschlage, ist voller Unglück; doch die Hoffnung, an mein Ziel zu gelangen, verleiht ihm stets etwas Süßes, und ich hielte mich durch nur einen Augenblick, den ich mit ihr verbringen kann, überaus reichlich belohnt für all die Widrigkeiten, die ich auf mich nehme, um mir diesen zu verschaffen. Die Dinge scheinen mir also auf Ihrer wie auf meiner Seite gleich zu stehen, und wenn es einen Unterschied gibt, dann gar zu meinen Gunsten, denn das Glück, das ich erhoffe, ist nahe, während das andere fern ist; das meine ist von gleichem Wesen wie die Schmerzen, das heißt, dem Körper fühlbar, und das andere ist von unbekanntem Wesen, das nur vermittels des Glaubens Gewissheit hat.»
    Tiberge schien entsetzt über diese Argumentation. Er trat zwei Schritte zurück und sagte mit äußerst ernster Miene, was ich da vorbrächte, verletze nicht nur den gesunden Menschenverstand, sondern es seien unglückselige Sophismen von Gottlosigkeit und Unglaube. «Denn dieser Vergleich», so setzte er hinzu, «zwischen dem Ziel Ihrer Leiden und dem, welches die Religion verheißt, entspringt äußerst freigeistigem und ungeheuerlichem Denken.»
    «Ich räume ein», ergriff ich wieder das Wort, «dass mein Vergleich nicht trifft; doch beachten Sie, dass meine Argumentation nicht darauf beruht. Mir war es darauf angekommen, eine Erklärung für das zu finden, was Sie als Widerspruch betrachten, wenn nämlich jemand von einer unglücklichen Liebe nicht lassen will; ich hingegen meine, schlagend bewiesen zu haben, dass Sie einem solchen, wenn es denn einer ist, ebenso wenig entrinnen können wie ich. Nur in dieser Hinsicht habe ich die Dinge als gleich bezeichnet, und ich bleibe dabei, dass sie es sind. Werden Sie mir erwidern, das Ziel der Tugend sei unendlich viel höher als das der Liebe? Wer wollte da nicht zustimmen? Aber ist das überhaupt die Frage? Geht es nicht beim einen wie beim anderen Ziel um die Kraft, die es verleiht, die Schmerzen zu ertragen? Urteilen wir nach der Wirkung. Wie viele Abtrünnige findet man, die sich von der strengen Tugend abwenden, und wie wenige, die der Liebe entsagen? Werden Sie mir des Weiteren antworten, dass, wenn denn die Ausübung der Güte Schmerzen bereitet, diese keine unweigerliche und notwendige Folge sind? Dass es keine Tyrannen und Kreuzigungen mehr

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