Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman

Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman

Titel: Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
Vom Netzwerk:
setzte ich lachend hinzu, «wie man sich eines unangenehmen oder unbequemen Liebhabers entledigt.»
    Nachdem sie ein wenig nachgesonnen hatte, ergriff sie wieder das Wort. «Ich habe da eine wunderbare Idee», rief sie aus, «und ich bin ganz stolz auf den Einfall. G… M… ist der Sohn unseres grausamsten Feindes; dem Vater gilt die Rache, nicht dem Sohn, wenn auch wohl seinem Geldbeutel. Ich werde ihn anhören, seine Geschenke annehmen und ihn zum Besten haben.»
    «Ein feines Vorhaben», gab ich zurück, «doch denkst du nicht daran, mein armes Kind, dass dies der Weg ist, der uns direkt ins Hôpital gebracht hat?»
    Ich mochte ihr noch so sehr die Gefährlichkeit eines solchen Vorhabens vor Augen halten, sie meinte, wir müssten nur unsere Vorbereitungen gut genug treffen, und auf all meine Einwände wusste sie eine Antwort. Man zeige mir einen Liebhaber, der nicht blind auf alle Grillen einer angebeteten Geliebten eingeht, und ich werde eingestehen, dass es ein Fehler war, so leicht nachzugeben. Es wurde also beschlossen, G… M… zum Narren zu halten, doch der Narr, so fügte es eine kuriose Wendung meines Geschicks, war am Ende ich.
    Gegen elf Uhr sahen wir seine Kutsche vorfahren. Er sagte uns die erlesensten Höflichkeiten über die Freiheit, die er sich erlaube, zu uns zum Essen zu kommen. Er war nicht überrascht, auf Monsieur de T… zu treffen, der ihm am Vorabend versprochen hatte, sich ebenfalls einzufinden, und der irgendwelche Angelegenheiten vorgeschoben hatte, um nicht mit ihm in demselben Wagen kommen zu müssen.
    Wenngleich niemand unter uns war, der nicht Verrat im Herzen getragen hätte, begaben wir uns unter einem Anschein von Vertrauen und Freundschaft zu Tisch. G… M… fand ohne Weiteres eine Gelegenheit, sich Manon zu erklären. Ich dürfte ihm nicht hinderlich erschienen sein, denn ich ging mit Bedacht für einige Minuten hinaus. Bei meiner Rückkehr fiel mir auf, dass er nicht durch ein Übermaß an Unnachgiebigkeit in Verzweiflung geraten war. Er befand sich in allerbester Stimmung. Ich gab vor, es ebenfalls zu sein. Er lachte innerlich über meine Einfalt und ich über die seine. Den ganzen Nachmittag spielten wir einander das herrlichste Theater vor. Ehe er Abschied nahm, ermöglichte ich ihm noch einen Augenblick der ungestörten Unterhaltung mit Manon, sodass er Anlass hatte, sich zu meiner Willfährigkeit ebenso wie zu dem freundlichen Empfang zu beglückwünschen.
    Kaum war er mit Monsieur de T… in die Kutsche gestiegen, als Manon mit ausgebreiteten Armen zu mir gelaufen kam und mich laut lachend umarmte. Sie wiederholte mir seine Reden und seine Angebote, ohne auch nur ein Wort daran zu ändern. Und darauf liefen sie hinaus: Er bete sie an. Er wolle mit ihr vierzigtausend Livre Jahreserträge teilen, über die er bereits verfüge, nicht eingerechnet, was er nach dem Tod seines Vaters erwarte. Sie solle Herrin über sein Herz wie über sein Vermögen sein, und als Unterpfand für seine guten Absichten sei er bereit, ihr eine Kutsche, ein möbliertes Stadtpalais, eine Kammerzofe, drei Lakaien und einen Koch zu überlassen.
    «Da haben wir einen Sohn», sagte ich zu Manon, «der deutlich großzügiger ist als sein Vater. Aber seien wir aufrichtig», so setzte ich hinzu, «führt dieses Anerbieten Sie nicht in Versuchung?»
    «Mich?», erwiderte sie und gab zwei abgewandelte Verse von Racine zum Besten:
    «Mich! Mich zeih’n Sie eines solchen Treuebruchs?
    Mich! Ich könne ein verhasstes Antlitz um mich dulden,
    Des Anblick täglich mich ans Hôpital erinnert?»
    «Nein», antwortete ich und führte die Posse fort:
    «Kaum dächt’ ich mir, das Hôpital, Madame,
    Hätt’ sich als Liebespfand in Ihre Seele eingeätzt. 19
    Doch ein möbliertes Palais mit drei Lakaien und mit Kutsche vermag wohl zu verführen, und die Liebe hat derlei starker Lockungen nur wenig.»
    Sie beteuerte, ihr Herz gehöre mir auf ewig, und niemals werde sie andere Liebespfande entgegennehmen als die meinen. «Die Versprechungen, die er mir gemacht hat», so fuhr sie fort, «sind eher ein Ansporn zur Vergeltung denn ein Liebespfand.»
    Ich fragte sie, ob sie die Absicht habe, das Palais und die Kutsche anzunehmen. Sie antwortete, sie habe es nur auf sein Geld abgesehen. Die Schwierigkeit war nun aber, das eine ohne das andere zu erhalten. Wir beschlossen zu warten, bis G… M… uns sein Vorhaben in allen Einzelheiten mittels eines Briefes dargelegt habe, den ihr zu schreiben er versprochen hatte. Sie

Weitere Kostenlose Bücher