Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wingfield Jenny
Vom Netzwerk:
verzichtete er, da eh alle wussten, wer er und Bernice waren.
    Er spielte einen Akkord auf seiner Gitarre, nickte Bernice zu, und dann stimmten sie I Saw the Light an. Als Samuel und Bernice in das Mikrophon sangen, verschmolzen ihre Stimmen zu einer himmlischen Harmonie. Schon bald begannen die Leute mit den Füßen zu stampfen, in die Hände zu klatschen, und eine der Anwesenden rief sogar: »Gloria!« Samuel reagierte, indem er das Tempo erhöhte.
    Als er seinen Blick zwischendurch über die Menge schweifen ließ, hätte er schwören können, hinten im Zelt Ras Ballenger zu sehen – Ras Ballenger, der freundlich lächelte –, doch als er noch einmal hinguckte, konnte er den Mann nicht mehr entdecken. Vielleicht hatte er sich ja auch geirrt.
    Zum ersten Mal in seinem Leben war Samuel froh darüber, dass jemand nicht zu seinem Gottesdienst gekommen war.
    Calla hatte recht gehabt mit ihrer Vorhersage, dass das Revival und das »Never Closes« sich gegenseitig Kundschaft verschaffen würden. Nicht jeder kam so ganz freiwillig zum Gottesdienst. Einige waren von ihren dominanten Ehefrauen mitgeschleppt worden und hatten nicht vor, dort zu bleiben. Solche Pantoffelhelden schlichen sich auf ein paar Drinks in die Bar, während ihre Frauen etwas für ihre Seele taten. Natürlich funktionierte der Austausch auch andersherum. Sünder in der Bar, die zwangsläufig die Gospelmusik hörten, begannen darüber nachzudenken, ihre miesen Gewohnheiten zu ändern, und wagten sich in das Revival-Zelt, um dort Erlösung zu finden. Es war ein Tauziehen zwischen Gott und dem Teufel, und beide Seiten gewannen und verloren ein paar Seelen.
    Das Revival war ein derartiger Erfolg, dass nicht abzusehen war, wie lange es dauern würde. Manche Leute fanden, es sei eine Schande, dass Samuels Frau in einer Spelunke arbeitete, während er sich das Herz aus dem Leibe predigte, andere wiederum meinten, Samuel hätte dieses Revival gar nicht organisiert, wäre er nicht von der Methodistenversammlung rausgeschmissen worden. Es wurde zwar darauf geachtet, dass Samuel die Tuscheleien nicht mitbekam, doch auch wenn er davon erfahren hätte, hätte er sich nicht davon unterkriegen lassen. Jeden Abend kamen Seelen, die gerettet werden wollten, also musste alles in Gottes Sinn sein.
    Samuel war glücklich.
    Bernice in ihrem Element.
    Und Toy befand sich auf dem Weg der Besserung, was er keineswegs seiner Frau zu verdanken hatte, die nun wirklich nicht den ganzen Tag seine Hand halten konnte. Wie sollte sie das auch tun, wo sie doch so viel zu tun hatte? Jeden Abend musste sie Samuel beim Gottesdienst helfen und anschließend mit ihm über jedes religiöse Thema reden, das ihr nur einfiel. Außerdem musste sie tagsüber mit ihm im County herumfahren, neue Handzettel drucken lassen und die Leute zum Revival einladen. Und schließlich musste Bernice sich auch ab und zu ihren eigenen Bedürfnissen widmen. Es kann nämlich Stunden in Anspruch nehmen, jede Minute perfekt auszusehen. Und im Übrigen schwebte Toy ja auch nicht mehr in Lebensgefahr, verdammt noch mal.
    Willadee war hundemüde, weil sie jede Nacht zwölf Stunden arbeitete und sich tagsüber noch um die Kinder und den Haushalt kümmern musste. So langsam fragte sie sich, wie lange sie das noch durchstehen könnte. Kam sie am Morgen endlich ins Bett, stand Samuel gerade auf, um sein Tagewerk zu beginnen. Es war haargenau so, wie es sich bei John und Calla abgespielt hatte.
    Calla Moses half Willadee mit den Kindern und lief den ganzen Tag wütend und hektisch wie ein nasses Huhn hin und her, während Bernice keinen Finger krumm machte.
    Nur die Kinder waren wie immer.
    Thanksgiving kam und ging, alle Kinder wirkten in irgendwelchen Schulaufführungen mit, und Willadee schaffte es, wie auch immer, zu allen hinzugehen – außer zu der von Noble, weil die abends stattfand. Also musste Calla sie vertreten. Samuel sah den Aufführungen von Bienville und Blade zu, die beide tagsüber und am gleichen Tag stattfanden, kümmerte sich aber die übrige Zeit um die Belange des Herrn. Swan merkte kaum, dass ihr Daddy nicht bei ihrer Aufführung erschien, denn schon vor ihrer Geburt hatte er sich die meiste Zeit um die Belange des Herrn gekümmert, sie war also daran gewöhnt.
    Ras Ballenger tauchte erneut beim Revival auf – diesmal war Samuel absolut sicher, ihn gesehen zu haben –, machte aber auch diesmal keinen Ärger. Blade spürte seine Gegenwart, wandte sich um, sah ihn und litt eine Woche lang unter

Weitere Kostenlose Bücher