Die Geschichte eines Sommers
Anblick von ein paar Schläuchen würde bei Weitem nicht so schlimm für sie sein wie all das, was sie sich in ihrer Fantasie ausgemalt hatten.
»Er sieht noch ziemlich geschwächt aus«, erklärte er den Kindern, als er mit ihnen und Willadee über den Krankenhausflur zu Toys Zimmer ging, »aber habt keine Angst. Bald wird er wieder ganz der Alte sein. Es dauert nur eine Weile, bis seine Kräfte wiederkehren.«
»Wird er denn auch wissen, wer wir sind?«, fragte Bienville, der mal gehört hatte, dass Leute, die fast gestorben waren, ihre Angehörigen nicht mehr erkannten.
»Natürlich weiß er, wer ihr seid«, sagte Samuel. »Und es gibt niemanden auf der Welt, den er lieber sehen möchte als euch vier.«
Samuel mochte zwar in letzter Zeit vom Leben stark gebeutelt worden sein, doch er war nicht kleinlich. Er war stolz darauf, seine Kinder mit jemandem teilen zu können.
Da Bernice wusste, dass Samuel und Willadee mit den Kindern Toy besuchen wollten, war sie schon gegangen. Also hatten sie Toy ganz für sich.
»Das ist die beste Medizin, die ich bisher bekommen hab«, sagte Toy. Seine Stimme klang noch heiser und etwas unsicher.
Obwohl die Kinder sich sehr freuten, Toy zu sehen, erschreckte sie sein schlechtes Aussehen. Er war der stärkste Mann, den sie kannten – oder war es zumindest gewesen. Normalerweise hatte er eine gesunde Gesichtsfarbe, jetzt aber sah er irgendwie nur grau aus. Auch wirkte er nicht mehr so riesig – vielleicht auch nur, weil er sein künstliches Bein nicht trug. Die Umrisse des Stumpfes zeichneten sich unter der Bettdecke ab, sodass man sehen konnte, dass dieser Teil von Toy Moses endete, wo er normalerweise noch lange nicht hätte enden sollen.
»Wo ist denn dein Bein?«, fragte Blade.
Noble und Bienville zuckten zusammen, und Swan stieß Blade in die Rippen. Aber Toy zuckte nicht einmal mit der Wimper.
»Ich glaub, es steht drüben im Schrank«, sagte er. »Ich werd’s mir nachher umschnallen, um an einem Wettlauf teilzunehmen.«
Blade machte erst ein skeptisches Gesicht, lachte dann aber vergnügt. Wenn Toy scherzte, konnte alles nicht wirklich schlimm sein.
»Hast du gewusst, dass dein Daddy einer der Männer ist, die mir das Leben gerettet haben?«, fragte Toy ihn.
Blade wusste das sehr wohl, schließlich hatte er alle möglichen Leute darüber reden gehört, aber er traute dem Braten nicht. Traute seinem Daddy nicht ein bisschen. Er senkte den Blick, trat einen Schritt zurück und antwortete nicht, als könne er sich damit von seinem Vater distanzieren. Toy verstand.
»Ich hab mit den Ärzten hier gesprochen«, sagte er. »Sie haben mir von einem Geschäft in Little Rock erzählt, in dem wir für dich ein Auge machen lassen können, das genauso echt aussieht wie das andere. Wenn ich wieder zu Hause bin, reden wir genauer darüber.«
Blade war fasziniert. »Und kann ich damit auch sehen?«
Toy schüttelte den Kopf. »Nein, aber es wird so schön aussehen, dass alle Mädchen dir hinterherlaufen werden.«
Blade schlich auf Zehenspitzen zu Toy und sagte leise: »Ich will aber nicht, dass alle Mädchen hinter mir herlaufen. Ich werde Swan heiraten.«
Samuel und Willadee sahen sich amüsiert an, Noble und Bienville machten Geräusche, als müssten sie sich übergeben.
»Sag das nie wieder, du Winzling«, fauchte Swan.
»Ich kann sagen, was ich will.«
»Nun ja, die Hochzeit könnt ihr ja später noch planen«, sagte Toy. »Jetzt möchte ich jedenfalls wieder im Mittelpunkt stehen.«
Er fragte jedes Kind nach der Schule und Willadee, wie es Calla gehe. Dann erkundigte er sich bei Samuel, wie weit er mit seiner Planung für das Zelt-Revival sei.
»Es scheint sich alles in die richtige Richtung zu entwickeln«, antwortete Samuel.
»Dann steht Columbia County ja einiges bevor«, sagte Toy grinsend. »Hört sich so an, als müssten Gott und der Teufel gegeneinander in den Ring treten.«
34
»Wie lange willst du dieses Revival denn veranstalten?«, fragte Calla Samuel an einem späten Nachmittag. In der vergangenen Woche hatte er Johns alten Traktor zusammen mit dem Bush-Hog-Rasenmäher zum Laufen gebracht und das ehemalige Baumwollfeld der Ledbetters gemäht, und heute waren einige Männer von der Mietfirma aufgekreuzt und hatten das Zelt errichtet. Calla hatte das Geschehen den ganzen Nachmittag lang durch das Ladenfenster beobachtet und war, sobald die Männer fort waren, über die Straße gegangen, um die Konkurrenz zu begutachten.
»Bis Gott mir ein Zeichen
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