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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wingfield Jenny
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versinken oder in unerreichbare Ferne davonfliegen. Im Augenblick reichte es ihr vollkommen aus, ihn nur zu betrachten.
    Ihr Mann lächelte beim Fahren vor sich hin. Sie konnte es aus den Augenwinkeln erkennen, und ihr wurde ganz flau im Magen. Bei den meisten Leuten bedeutete es etwas Gutes, wenn sie lächelten, aber bei Ras konnte es alles Mögliche bedeuten. Trotzdem beschloss sie, sich durch ihn und sein Lächeln nicht von dieser wunderbaren, zart schimmernden Idee abbringen zu lassen. Sie wollte sie so lange wie möglich im Kopf behalten.
    »Wie lang hast du schon ’n Auge auf diesen hässlichen Kerl geworfen?«, fragte Ras. Er war stolz auf seine Cleverness sowie auf seine Fähigkeit, sie aus ihren Gedanken herauszureißen. Auf Letzteres verstand er sich besonders gut.
    Sie sah ihn schweigend an. Regte sich Ras auf, sagte man am besten gar nichts, weil er einem ansonsten jedes Wort im Mund umdrehte. Allerdings war auch das in gewisser Hinsicht schlecht, denn Schweigen wurde von ihm als Zeichen von Schuld ausgelegt. Es bedeutete, dass einem nichts einfiel, wohinter man sein schmutziges Geheimnis verbergen konnte, das er gerade aufgedeckt hatte.
    »Ich hab doch gesehen, wie du vorhin vor Begeisterung gesabbert hast«, warf er ihr vor. »Meinst du, das hätt’ ich nicht bemerkt?«
    Geraldine war verärgert. Die wunderbare Idee begann zu verblassen. Wenn Ras doch nur den Mund halten würde, damit sie sich wieder auf sie konzentrieren konnte. »Ach, du bildest dir immer ein, alles Mögliche zu sehen«, sagte sie. Sie hatte vergessen, dass es nicht gut war zu reden.
    Er lachte. Es war ein obszönes, grunzendes Lachen. »Du solltest mir besser glauben, dass ich’s tatsächlich seh.«
    Geraldine hob das Baby vom Schoß, legte es sich über die Schulter und klopfte ihm gleichmäßig auf den Rücken. Sie war sauer. Der Lichtstrahl war verschwunden, und ihr blieb jetzt nichts anderes übrig, als sich mit Ras zu streiten. Wenn man ihm nicht ab und zu Paroli gab, wurde alles nur noch schlimmer. Denn Ras war am allerschlimmsten, wenn er wusste, dass er Oberwasser hatte.
    »Da war überhaupt nichts zu sehen«, sagte sie schnippisch.
    Ras spie eine Ladung rötlichen Tabaksaft aus dem Fenster und wischte sich den Mund am Hemdsärmel ab.
    »Ich merk doch wohl, wenn’s ’ne Frau auf jemanden abgesehn hat.«
    »Du solltest wirklich aufhören, mir solche Dinge vorzuwerfen, Ras Ballenger«, sagte sie mit hoher, überheblicher Stimme. »Ständig wirfst du Leuten irgendetwas vor. Ich kenne den Mann doch überhaupt nicht.«
    »Nich’ so gut, wie du’s gern tätest, meinst du wohl?«
    Geraldine kannte Toy Moses tatsächlich nicht, hatte ihn nur ab und zu mal an Tagen wie heute gesehen, wenn er im Laden bediente und sie zufällig mit ihrem Mann und den Kindern vorbeikam. Immer mit Mann und Kindern. Allein durfte sie nirgendwohin. Aber sie kannte die Geschichten über ihn. Wie Toy sein Bein verloren hatte, um ein Leben zu retten, und wie er ein Leben genommen hatte, um die Ehre seiner Frau zu retten. Sie hatte die Geschichten gehört und sie sich gemerkt. Toy Moses kümmerte sich um Menschen, die sich nicht selbst schützen konnten. Genau das war die Erkenntnis gewesen, die ihr vor wenigen Minuten noch wie ein Irrlicht im Kopf herumgetanzt war.
    Sie hatte Ras kennengelernt und geheiratet, als sie gerade erst vierzehn gewesen war. Vierzehn! Ein kleines Mädchen mit Zöpfen, und dann war er gekommen, ein Soldat aus dem Krieg, und er hatte gar nicht mal schlecht ausgesehen, auch wenn er regelrecht winzig war.
    Voller Übermut und forschen Schrittes war er in ihr Leben hineinstolziert und hatte ihr im Handumdrehen den Kopf verdreht. Schließlich wurden nicht viele Mädchen in ihrem Alter von einem Mann umworben, der schon überall gewesen war und alles gesehen hatte und der mehr Feinde vor ihren Schöpfer hatte treten lassen, als er zählen konnte. Damals hatte es sie nicht gestört, dass Ras Menschen umgebracht hatte. Waren Soldaten denn nicht dazu da? Heute störte es sie einzig aus dem Grund, dass sie mittlerweile wusste, wie sehr er das Töten genossen hatte. Für Ras Ballenger war der Krieg eine einmalige Gelegenheit gewesen.
    Oh ja, in den Jahren hatte sie eine Menge Dinge über ihn gelernt.
    Ras hatte sie gerade lange genug umworben, um festzustellen, ob sie noch Jungfrau war. Das hatte er auf ziemlich brutale Weise getestet. Nachdem der Test zu seiner Zufriedenheit ausgefallen war, hatte er ihr die Tränen aus dem Gesicht

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