Die Geschichte eines Sommers
Comicfigur Swampfire, mal hier, mal da und dann wieder weg. Eigentlich sollte er doch mittlerweile begriffen haben, dass Weglaufen alles nur noch schlimmer machte, aber der Junge schien es unbedingt auf die harte Tour lernen zu wollen.
Ras war entschlossen, ihm diesmal unmissverständlich klarzumachen, was er von seinen Eskapaden hielt, wenn er ihn erwischte. Nicht nur Pferde konnten von zwei Seiten festgebunden werden.
Doch als er auf der Anhöhe neben dem Bach stand und Blade unten im Wasser und das kleine Mädchen mit hochgerutschtem Rock über dem Schwimmloch hängen sah, da war Ras plötzlich nicht mehr so wütend.
In einer Hand hielt er seine aufgerollte Peitsche. Er musste dem Mädchen gar nicht sagen, sie solle ruhig sein, denn sie erstarrte, sobald sie ihn erblickte.
»Hab keine Angst«, sagte er mit sanfter und freundlicher Stimme. »Ich werde jetzt die Peitsche um die Ranke werfen, dann zieh ich dich rüber und mach dich los.«
Swans Augen waren so groß wie Untertassen. Sie bemühte sich krampfhaft zu schlucken, doch ihre Kehle wollte ihr einfach nicht gehorchen. Sie wünschte sich sehnlichst, fliegen zu können.
Aber vielleicht wollte Ballenger ihr ja gar nicht wehtun. Vielleicht war er nur zu seinen eigenen Kindern so böse. Es gab doch viele Leute, die zu allen anderen netter waren als zu ihrem eigenen Fleisch und Blut.
Gerade holte der Schlangenmann mit seiner Peitsche aus, um sie durch die Luft sausen zu lassen. Wenn Swan auch nur einen Muskel bewegte, würde er ihr vielleicht den Arm abreißen.
Der Riemen der Peitsche schoss pfeifend durch die Luft und wand sich mit einem Knall einen halben Meter über Swans Kopf um die Weinranke. Als Ras die Peitsche zurückzog, schwebte Swan durch die Luft, als hinge sie an einem Trapez. Sobald das Mädchen in Reichweite war, packte er mit seiner freien Hand die Weinranke und hielt sie fest.
»Das war doch gar nicht so schlimm, oder?«, fragte er. Swan versuchte sich von der Ranke zu befreien, doch ihre Hände zitterten und ihre Beine fühlten sich an wie Gummi. Nur mit größter Mühe konnte sie überhaupt stehen. Zaghaft schüttelte sie den Kopf.
Ras lachte und begann ihren Arm von der Ranke zu befreien. Ihr drehte sich der Magen um, als er sie berührte.
»Du brauchst doch keine Angst zu haben, meine kleine Hübsche«, sagte er, als ob er keiner Fliege etwas zuleide tun könnte. Während er die Ranke löste, achtete er darauf, dass er sie nur am Arm und an der Schulter berührte, und sah außerdem demonstrativ zur Seite, als sie ihren Rock wieder zurechtzog. Er tätschelte ihr sogar den Kopf.
Die harte alte Weinranke hatte Swan den Oberarm aufgeschrammt und Prellungen hinterlassen. Nun, wo sie in Sicherheit war, spürte sie mit einem Mal den Schmerz. Sie biss die Zähne zusammen und versuchte, nicht zu weinen. Ras schnalzte mitfühlend mit der Zunge.
»Du solltest nach Hause gehen und dich von deiner Mama versorgen lassen.«
Sie nickte und wich vor ihm zurück.
Ras Ballenger machte eine tiefe Verbeugung. »Und wenn du noch mal gerettet werden musst, musst du bloß laut schreien.«
Laut schreien konnte sie in der Tat, dachte er später, als er mit Blade zurück nach Hause ging. Ras lief ziemlich schnell, der Junge neben ihm blickte zu ihm auf und redete ununterbrochen.
»Das war richtig klasse, was du da mit der Peitsche gemacht hast«, sagte er gerade. »Hast einfach ausgeholt und dieser alten Weinranke einen verpasst. War echt toll, wie du das gemacht hast.«
Ras beugte sich hinab und tätschelte seinem Sohn den Kopf, wie er es vor wenigen Minuten noch bei dem Mädchen gemacht hatte.
»Du hoffst bestimmt, dass ich dich jetzt in Ruhe lasse.«
Der Junge schluckte. Er hatte gehofft, sein Vater hätte vielleicht vergessen, weshalb er zum Bach gekommen war und die Peitsche mitgebracht hatte.
Ras blickte zu ihm runter und lächelte. Es war kein böses Lächeln, so wie manchmal. Er fuhr dem Jungen mit einer Hand durch die Haare.
»Tja, du hast ganz recht«, sagte er. »Von der Peitsche bleibst du diesmal verschont.«
Blade schluckte erneut, diesmal aus purer Erleichterung. »Wirklich?«
»Wirklich«, sagte Ras. Dann krallte er urplötzlich seine Finger in die Haare des Jungen, riss ihn daran in die Luft, warf ihn zur Seite und ging weiter.
Als Swan zurück zum Revival-Platz kam, hatten die Diakone schon das Zelt errichtet und waren gerade dabei, aus Steinen und herumliegenden Ästen eine Kanzel zu bauen. Es würde keine sehr hohe Kanzel
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