Die Geschichte eines Sommers
elektrisierende Sekunde an seine Schulter drücken, während sie das Maisbrot auf den Tisch stellte. Es wäre so einfach gewesen, aber nicht klug.
Gutes tun, das hingegen war unleugbar klug.
Also bot sie Calla an, ihr mehr im Haushalt zu helfen, woraufhin diese ihr doch tatsächlich einen Mopp in die Hand drückte. Calla Moses kam natürlich nicht auf die Idee, sie naheliegende Dinge tun zu lassen, wie zum Beispiel – nun ja, eigentlich fiel Bernice dazu auch nichts ein. Der entscheidende Punkt war, dass sie ihre Hilfe angeboten hatte, und am besten hätte sich Calla einfach für ihre Zuvorkommenheit bedanken und es dabei bewenden lassen sollen.
Bernice überlegte, was sie sonst noch Gutes tun konnte. Vielleicht sollte sie Alte und Kranke besuchen? Doch das würde ihr nicht helfen, mehr Zeit mit Samuel zu verbringen, es sei denn, sie würde ihn bitten, sie zu fahren, und das war schlecht möglich, da sie ja selbst Auto fahren konnte. Außerdem bereitete ihr die Nähe von Alten und Kranken Gänsehaut.
Dann endlich wusste sie, welche guten Taten für sie infrage kamen.
Toy war überrascht, als Bernice sich plötzlich wieder so liebevoll wie am Anfang ihrer Beziehung um ihn kümmerte. Überrascht, aber auch so glücklich, dass er am liebsten geweint hätte. Zwar war ihm durchaus bewusst, dass die Möglichkeit bestand, dass Bernice vielleicht nur eine Show abzog, um Samuel mit ihrer neuen Tugendhaftigkeit zu beeindrucken, und er sagte sich, dass kein Mann sich so von einer Frau für dumm verkaufen lassen sollte wie er, doch er hörte nicht auf seine Vernunft. Stattdessen freute er sich über ihre Gunstbeweise wie ein Kind über Süßigkeiten.
Toy Moses konnte gar nicht fassen, wie köstlich das Leben plötzlich wieder war. Bernice lächelte ihn an, wenn er am späten Nachmittag aufwachte. Sie brachte ihm Kaffee und plauderte mit ihm, während er ihn trank. Wenn sie zu Calla fuhren, setzte sie sich dicht neben ihn, statt so nah wie möglich an die Beifahrertür zu rücken, und wenn er seinen Arm um sie legte, kuschelte sie sich in ihn hinein wie ein Vogel in sein Nest.
Am Abendbrottisch bemerkte er, wie sie ihn ansah. Dabei hatte sie dieses Leuchten im Gesicht, wie es nur eine Frau hat, die sich gerade frisch oder erneut verliebt hat. Toy war allerdings nicht der Einzige, dem Bernice’ Verwandlung auffiel. Samuel und Willadee mussten beide heftig blinzeln, als sie es bemerkten, und Calla wäre fast an ihrem Kohl erstickt.
Toy war das alles egal. Sollten sie doch glauben, dass Bernice ihn nur umschmeichelte, um ihn erneut fallen zu lassen. Sollten sie doch glauben, was sie wollten, verdammt noch mal. Zumindest bestand die Chance, dass sie es ernst meinte, und Toy Moses war noch nie jemand gewesen, der Angst hatte, sich auf ein Risiko einzulassen.
»Schamlos« war alles, was Calla sagen konnte. Es war Donnerstagmorgen, und sie und Willadee hängten im Hinterhof Wäsche auf. Am Abend vorher war Bernice mit Samuel, Willadee und den Kindern zu einer Gebetsstunde gegangen. Mit ihrem jungfräulichen Lächeln und einem schlichten Kleid im Princess-Stil, das ihre schmale Taille im Vergleich zu den Bereichen darüber und darunter betonte, hatte sie einfach fantastisch ausgesehen. Calla hatte sich sehr beherrschen müssen, Bernice nicht aus dem Auto zu zerren und ihr zu erklären, sie könne zu Hause beten.
»Aber wir können doch nicht behaupten, dass es ihr nicht ernst ist«, sagte Willadee, obwohl sie es besser wusste.
»Das ist es ihr schon«, murmelte Calla, »und wir wissen auch ganz genau, womit es ihr ernst ist.«
Willadee hängte gerade ein Laken auf, strich es glatt und rückte es so zurecht, dass die Ecken übereinanderlagen. Wenn man ein Laken richtig aufhängt, kann man es später so von der Leine nehmen, und es sieht aus wie gebügelt.
»Mama«, sagte sie, »es spielt keine Rolle, was Bernice tut. Wichtig ist, was Samuel tut. Und er ist ein zu guter Mensch, als dass er seinen Prinzipien untreu werden würde.«
Calla murmelte etwas vor sich hin. Sie hielt Samuel zwar auch für einen guten Menschen, war aber gleichzeitig davon überzeugt, dass Bernice in der Lage war, alles Gute gründlich zu zerstören.
Willadee hingegen wurde von einem schlechten Gewissen geplagt, weil sie sich zugunsten von Bernice ausgesprochen hatte, obwohl das nicht ihrer Überzeugung entsprach. Sie glaubte auch nicht, dass der religiöse Anfall ihrer Schwägerin lange anhalten würde. Sie würde noch eine Weile Theater spielen,
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