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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wingfield Jenny
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war, dann war es auch gut genug für sie. Toy legte der Stute Zaumzeug an und zeigte ihnen, wie man sanft die Zügel anzog, damit die Trense dem Tier nicht ins Maul schnitt, danach waren sie auf sich gestellt.
    Sie ritten immer »im Zweierpack«, weil Swan sich weigerte abzusteigen und die Jungen so freundlich waren, sich abzuwechseln. Sie ritten um den Hof herum, dann um die Scheune und dann über die Weide. Zum Bach ritten sie nicht. Der Bach war wie eine unsichtbare Grenzlinie, die das Ende der Sicherheit und den Beginn unvorstellbarer Gefahren markierte. Keiner von ihnen war bereit, sich wieder bis zum Bach vorzuwagen.
    Lady wurde fürstlich behandelt. Es gab Karotten aus der Küche, Zuckerwürfel aus dem Laden und Wassermelonen aus dem Beet direkt neben der Räucherkammer.
    »Das Pferd kriegt noch Koliken, wenn ihr es weiter so verwöhnt«, sagte Calla, als sie die Kinder dabei erwischte, wie sie Äpfel klauten, mit denen sie eigentlich gefüllte Krapfen hatte backen wollen.
    Koliken hörte sich nach etwas an, was Babys bekamen, und sie hatten noch nie gehört, dass eins daran gestorben war, doch Calla erklärte ihnen, man könne ein Pferd nicht zum Aufstoßen bringen, also sollten sie besser darauf achten, dass es keine Bauchschmerzen bekam. Danach stibitzten die Kinder nicht mehr so viel Futter für Lady, sondern konzentrierten sich auf ihre Pflege.
    Toy zeigte ihnen, wie man eine Bürste und einen Striegel benutzte und wie man die Füße mit einem Hufkratzer säuberte.
    »Für ein Pferd sind die Füße das Wichtigste, was es hat«, erklärte er ihnen. »Ein Mensch kann sich vielleicht noch halbwegs mit einem künstlichen Bein fortbewegen, aber ein Pferd braucht die Räder, die Gott ihm gegeben hat.«
    Die Kinder lachten, weil sie sich ein Pferd auf Rädern vorstellten, doch da war auch etwas anderes, was Toy gesagt hatte, von dem sie nicht wussten, was sie davon halten sollten. Zum ersten Mal hatte er ihnen gegenüber sein künstliches Bein erwähnt. Zum allerersten Mal. Und war dabei so lässig und beiläufig gewesen, als hätte er eigentlich etwas anderes sagen wollen. Vielleicht sollte das heißen, dass er sie ins Vertrauen ziehen wollte. Dass er eine Tür öffnete und sie hineinwinkte. Doch vermutlich schätzten sie ihn falsch ein. Höchstwahrscheinlich war ihm die Bemerkung nur so herausgerutscht, obwohl er eigentlich nicht der Typ war, der ungewollt eine Bemerkung fallen ließ. Allerdings war er eigentlich auch nicht der Typ, der so vertraut mit ein paar Kindern umging, die noch nicht mal seine eigenen waren, also sollten sie das Ganze vielleicht nicht überbewerten.
    In dieser Nacht konnten die Lake-Kinder wieder besser schlafen. Swan schlief sogar wieder in ihrem Bett statt in dem Sessel, schaltete jedoch das Nachtlicht an, das ihr Vater ihr einen Tag nach der Sache mit Blade gekauft hatte. Sie bezweifelte, dass sie in ihrem Leben je wieder ohne Nachtlicht schlafen könnte.

25
    Swan schlief tief und fest. Sie rührte sich noch nicht einmal, als es leise raschelte, weil jemand durch ihr Fenster stieg. Als dieser Jemand jedoch unter ihre Bettdecke kroch, wachte sie erschrocken auf. Bevor sie den Mund aufmachen konnte, um zu schreien, sah sie, wer es war. Es war der beste Moment in ihrem bisherigen Leben.
    »Wie bist du hergekommen?«, stieß sie hervor. Sie war überglücklich.
    Blade Ballenger deutete auf das Fenster. Er trug wieder seine Schlafsachen, und der Verband über seiner Augenhöhle war verdächtig gelb verfärbt. Swan schlang die Arme um ihn und hielt ihn fest. Blade entspannte sich und ließ den Kopf an ihrer Schulter ruhen, sodass sein Gesicht an ihrem Hals lag.
    »Ich hab gesehen, was passiert ist«, erzählte Swan ihm und hasste sich von Neuem, weil sie nichts getan hatte, um ihm zu helfen.
    Blade machte sich von ihr los und starrte sie verwirrt an. In letzter Zeit war so viel passiert, dass er nicht wusste, wovon sie sprach.
    »An dem Tag im Wald«, erklärte Swan. »Meine Brüder und ich wollten dich retten, aber wir sind zu spät gekommen.«
    Blades schönes dunkles Auge wurde vor Staunen ganz groß, und seine Kinnlade klappte herunter. Es war noch nie passiert, dass jemand gekommen war, um ihn zu retten.
    »Wir wollten deinen Daddy zu Tode erschrecken«, fuhr Swan fort, »aber dann bin ich in Ohnmacht gefallen und hab das Wunder vermasselt.«
    Blade blickte sie fragend an. Wieder verstand er nicht, wovon sie sprach.
    »Ein Wunder ist etwas, das eigentlich unmöglich ist, aber einem

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