Die Geschichte eines Sommers
gewährt wird, wenn man darum bittet«, sagte sie. »Bloß sind dafür meistens ein Haufen Dinge erforderlich, die überhaupt keinen Sinn ergeben, die man aber alle ganz genau befolgen muss. Wenn man Mist baut, gibt’s kein Wunder.«
Blade verstand noch immer nicht, das konnte man ihm am Gesicht ansehen. Swan schlug leicht auf das Kopfkissen, und er machte es sich darauf bequem. Dann streckte sie sich neben ihm aus, stützte ihren Kopf auf eine Hand, griff mit dem anderen Arm über seinen Bauch und zog ihn an sich.
»Was ist denn nun mit deinem Auge? Hat der Doktor es wieder eingenäht?«
Blade wandte den Blick ab, als hätte er ein schlimmes Geheimnis, das gerade aufgeflogen war. Das war Antwort genug.
»Wie bist du abgehauen?«, fragte sie.
»Hab gewartet, bis ’ne Katze kam.«
Swan blickte ihn fragend an.
»Mein Daddy macht Katzen tot«, sagte Blade. Er erklärte zwar nicht, dass sein Daddy, wenn er Katzen tötete, so konzentriert bei der Sache war, dass er nichts anderes mitbekam, doch Swan verstand auch so. Blade schaute zum Fenster, als hätte er Angst, sein Vater würde jeden Moment ins Zimmer steigen.
»Ich lasse nicht zu, dass dich jemand noch einmal wegbringt«, versprach Swan. »Ich weiß zwar noch nicht genau, wie ich es verhindern werde, aber ich werde es ganz sicher tun.«
Toy Moses hatte gerade die Bar abgeschlossen und half seiner Mutter, ihren Laden aufzumachen, als Ras auf den Hof fuhr und aus seinem Truck sprang, als stünde seine Hose in Flammen. Calla, die gerade die Treppe fegte, blickte auf. Toy war dabei, die Holztür mit ein paar Limonadenkästen festzustellen, sodass sie nicht schloss, und blickte ebenfalls auf. Beide sahen so empört aus, wie sie sich in diesem Augenblick fühlten. Und das war ziemlich empört.
»Der Herr steh mir bei«, sagte Calla.
Wütend näherte sich Ras Ballenger Toy bis auf etwa einen Meter und starrte ihn heimtückisch an.
»Ich will meinen Sohn holen«, sagte er. Er blaffte und brüllte nicht wie sonst. Seine Stimme war von einer tödlichen Ruhe.
Da Toy nicht wusste, dass Blade im Haus war, war er überrascht, ließ sich seine Überraschung aber nicht anmerken. Er schüttelte den Kopf und ließ sich außerdem nicht anmerken, wie froh er war, dass es dem Jungen gelungen war, seinem Vater noch einmal zu entwischen.
»Da sind Sie hier an der falschen Adresse, Mr Ballenger. Wir haben Ihren Sohn seit über zwei Wochen nicht mehr gesehen.«
Ballenger glaubte ihm kein Wort und sagte das auch. Toy schüttelte erneut den Kopf und sagte, er hoffe wirklich, dass es dem Jungen gut gehe.
»Man weiß ja heutzutage nie, was alles passieren kann«, fuhr er fort. »Man möchte es kaum glauben, aber es gibt Leute auf dieser Welt, die sind so tief gesunken …«, er hielt inne, um seinen Worten größere Betonung zu verleihen, »nein, die sind so erbärmlich«, er hielt wieder inne, »und wertlos wie Schweinescheiße, dass sie aus purer Bösartigkeit ein Kind verletzen.«
Toy zündete sich eine Zigarette an und nahm zwei tiefe Züge, bevor er fortfuhr. »Ich persönlich bin ja der Meinung, dass man diesen Leuten dasselbe antun sollte, was sie dem Kind angetan haben. Auge um Auge, könnte man vielleicht sagen.«
Ras konnte Toy unmöglich missverstehen. Bestimmt fragte er sich, wieso der Mann so viel wusste. Wahrscheinlich waren die Deputys, die ihn vernommen hatten, danach direkt ins »Never Closes« gefahren, hatten herumgesessen, getrunken und über Dinge gequatscht, die sie eigentlich für sich behalten sollten. Schon bei der Vorstellung bildete sich vor Ras Ballengers Mund Schaum. Schließlich war ein Mann so lange unschuldig, bis seine Schuld erwiesen war, und er war es leid, seine Unschuld für Dinge zu beteuern, die niemanden etwas angingen, verdammt noch mal.
»Ich bin nicht gekommen, um mir Ihre Meinung anzuhören«, sagte er, »sondern wegen meinem Sohn. Und jetzt bringen Sie ihn endlich raus, oder muss ich reingehen und ihn mir eigenhändig holen?«
Toy gab Ballenger mit einem raschen Blick zu verstehen, das solle er ja nicht wagen.
»Mr Ballenger«, sagte er dann laut, »Sie werden jetzt in Ihren Truck steigen und verschwinden. Sie haben fünf Sekunden.«
Ballenger gab auf. »Ich werd Ihnen die Polizei auf den Hals hetzen, darauf können Sie Gift nehmen. Sie meinen vielleicht, Sie hätten den Sheriff in der Tasche, aber andere Leute haben auch Rechte, und ich kenne die meinen.«
»Noch drei Sekunden«, sagte Toy.
Nachdem Ballenger fort war, sah
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