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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wingfield Jenny
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Toy als Erstes in der Scheune nach, doch da war in den letzten Tagen niemand gewesen. Die Decken lagen ordentlich ausgebreitet da und die Geschenke für Blade genau in der Mitte – wie seit der Tragödie mit der nachgespielten Schlacht von Jericho. Niemand wusste genau, wann die Kinder sie dorthin gelegt hatten, denn sie hatten viele Wallfahrten zur Scheune unternommen, sodass es irgendwann gewesen sein könnte.
    Als Nächstes sah Toy an dem Ort nach, wo er den Jungen ohnehin am ehesten vermutet hatte.
    Swan und Blade schliefen wie junge Hunde, so aneinandergekuschelt, dass sie sich an mehreren Stellen berührten. Nichts hätte unschuldiger sein können, und trotzdem beunruhigte es Toy, als er die Tür vorsichtig öffnete und die beiden so sah. Auch wenn er selbst kein Vater war, fühlte er etwas, das Väter ihren Töchtern gegenüber oft empfinden, nämlich dass die Kinder furchtbar schnell herangewachsen sind und plötzlich alles ganz anders ist. Deshalb müssen die Erwachsenen, die die Verantwortung haben, bei bestimmten Dingen einfach rechtzeitig eingreifen.
    Nicht dass er meinte, für Swan verantwortlich zu sein, doch er würde die Sache jetzt in die Hand nehmen.
    Toy stellte sich ans Fußende des Bettes und räusperte sich. Swan und Blade fuhren hoch und fielen vor Schreck beide aus dem Bett. Da das Bett relativ hoch war, landeten sie mit einem ziemlichen Radau auf dem Boden.
    Blade wollte zum Fenster stürzen, doch Toy trat ihm in den Weg.
    »Das werden wir nicht wiederholen«, sagte er. »Diesmal schicke ich dich nicht nach Hause.«
    Blade schluckte heftig und sah Swan an, die Onkel Toy andächtig betrachtete.
    »Wirklich nicht?«, fragte sie.
    »Nein, Ma’am, wirklich nicht«, erklärte Onkel Toy feierlich. Ausgerechnet Toy Moses, der angeblich seit Jahren kein feierliches Wort mehr gesprochen hatte.
    Swan atmete tief aus und ließ sich zurück auf den Fußboden plumpsen. Blade wartete noch immer auf ein Zeichen von ihr, dass alles nur eine Lüge war, aber offenbar meinte Toy es ernst. Also setzte er sich neben Swan, während Toy dastand und beide durchdringend anblickte.
    »Ich kann dir nicht versprechen, dass die Polizei nicht eingreifen wird«, sagte er zu Blade gewandt, »denn das wird sie vermutlich tun. Aber ich kann dir eins versprechen: Solange ich etwas dazu zu sagen habe, bist du hier willkommen und in Sicherheit.«
    Er beugte sich zu den Kindern hinunter und streckte die Hand aus. Der Junge, der vermutlich in seinem ganzen Leben noch nie jemandem die Hand geschüttelt hatte, nahm Toys Hand und schüttelte sie wie ein Mann.
    »Und nun müssen wir uns überlegen, wo dein Freund von nun an schlafen wird«, sagte Toy zu Swan. »Bei dir auf jeden Fall nicht mehr.«
    Damit war die Sache geregelt. Blade Ballenger konnte bleiben, bis die Polizei eingriff. Für Swan klang das ganz in Ordnung, da die Polizei, soweit sie wusste, bei den Moses immer nur eingegriffen hatte, um dafür zu sorgen, dass der Schnaps nicht schlecht wurde.
    Wo Blade schlafen sollte, wurde demokratisch bei einem Familientreffen im Schlafzimmer von Willadee und Samuel entschieden. Toy hatte die beiden zu Swans Eltern gebracht, und Noble und Bienville mussten durch die Aufregung, die in der Luft hing, wach geworden sein, denn beide traten durch die Tür, noch bevor Toy zu Ende erklärt hatte, dass Blade zurück war und irgendwo untergebracht werden musste. Und zwar sofort.
    »Du kannst bei Bienville kampieren«, sagte Samuel zu Blade. »Wenn du zwischen all seinen Büchern ein freies Plätzchen findest.«
    Der Vorschlag war demokratisch genug, um alle Betroffenen zufriedenzustellen.
    Da Toy vermutete, dass Ras zurückkommen und es Ärger geben würde, fuhr er zum Schlafen nicht nach Hause, sondern ging in sein altes Schlafzimmer und legte sich neben Bernice, was unweigerlich dazu führte, dass sie früh aufstand.
    Bernice kam in die Küche, noch bevor Willadee die Brötchen in den Ofen getan hatte, und sagte, sie habe gehört, der kleine Ballenger wäre wieder da. Willadee bestätigte das und fragte, ob das nicht wunderbar sei. Was daran wunderbar sein sollte, konnte Bernice nicht verstehen, doch zurzeit hatte es überhaupt keinen Sinn, auch nur mit irgendjemandem in diesem Haus zu reden. Die waren doch alle übergeschnappt.
    Allerdings war sie die Einzige, die nicht glücklich war. Alle anderen befanden sich in einer derartigen Hochstimmung, dass man hätte meinen können, es sei Weihnachten. Den ganzen Tag lang stopfte Willadee den

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