Die Geschichte von Liebe und Sex
Menschen in Indien, kein Wort über die Unterdrückung der Frauen, über religiösen Fanatismus oder wenigstens über wirkliche Liebeskonflikte junger Leute. Alles dagegen naiv und weiß wie der Marmor des Taj Mahal.
Vielleicht hatte der Sohn auch einfach genug von seinem depressiven Vater, der sich einen Dreck scherte um die Not seiner Untertanen und das gesamte Vermögen, geschätzte 32 Millionen Rupien, verjubelte für diesen Protzbau. Noch heute wird mit dem Palast jede nur mögliche Show abgezogen: In fünf Jahren – 2004 – soll die 350-Jahrfeier zur Vollendung des Bauwerks begangen werden, obwohl niemand genau weiß, ob das Datum überhaupt stimmt. Das Ganze wird vom Tourismus-Minister geplant, der wohl auch deshalb bald das Spektakel veranstalten will, da die Verschmutzung aus den Industrieanlagen in Agra den Palast bereits immer mehr zerbröckeln lässt.
Was ich mir wünsche? Dass junge Leute in Indien selbstbestimmt ihre Beziehungen |79| eingehen können, dass Mädchen und Frauen mehr Achtung entgegengebracht wird und meine Eltern sich nicht mehr schämen müssen, weil sie nur zwei Töchter und keine Söhne haben.«
Lata, die eine Weile nicht zugehört hat, mischt sich noch einmal ein und sagt: »Ja, Indira will immer alles anders, als es ist. Aber als 1992 im Taj Mahal für den einsamen Besuch von Prinzessin Di alles abgesperrt war und wir als Kinder mit unseren Eltern die Bilder davon sahen und wussten, dass ihre Ehe mit Prinz Charles schon kurz vor dem Scheitern stand, da hat sie auch mit mir am Fernseher alles genau verfolgt und war ganz gerührt … oder etwa nicht?« **
Indira muss erst lachen und nickt dann ernst: »Ja, so war es … da war ich neun Jahre alt. Und es sah wirklich alles so traurig und gleichzeitig so schön aus.«
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Der Autor führte das Interview im Jahr 1999 anlässlich eines Besuchs von Indira und Lata K. im Anne-Frank-Haus in Amsterdam.
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Die 1981 geschlossene »Traumhochzeit« von Diana (1961 – 97) mit dem britischen Thronfolger Prinz Charles (* 1948) stand 1992 kurz vor der Trennung und wurde 1996 offiziell geschieden. Prinzessin Diana verunglückte 1997 bei einem Verkehrsunfall tödlich – nur 36 Jahre alt.
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China: Von Lotusblumen zur kommunistischen Kleinfamilie
Das »Reich der Mitte« hat die Menschen im Westen fasziniert, seit der italienische Kaufmann Marco Polo (1254 – 1324) als erster Europäer China besuchte und seine schillernden Reiseberichte darüber schrieb.
Es ist unmöglich, hier auch nur annähernd einen Überblick über die spannende Geschichte Chinas zu geben: Von den Qin-Kaisern, die das Reich ab 221 v. Chr. einigten und erstmals die chinesische Sprache und Schrift vereinheitlichten, bis hin zur Gründung der kommunistischen Volksrepublik China durch Mao Tse-tung (oder Zedong, 1893 – 1976) im Jahr 1949. Immer wieder wurden selbst in jüngster Zeit überraschende Entdeckungen gemacht. So wurde zum Beispiel erst 1974 die Grabkammer des ersten Qin-Kaisers Shi Huangdi gefunden, in der bis jetzt 7 000 lebensgroße, individuell gestaltete Terrakotta-Soldaten mit ihren Pferden ausgegraben wurden. Und erst allmählich werden Lebensgeschichten von |80| Frauen und Männern bekannt, die sich lange vor der kommunistischen Revolution für die Gleichberechtigung der Geschlechter engagierten.
Über Jahrtausende war China vom Konfuzianismus geprägt, der nur mit Ausnahmen, wie in der Ming-Periode zwischen 1368 und 1644, eine gewisse öffentliche Diskussion von Liebe und Sex erlaubte. Im Jahr 1911 kam es zu einer bürgerlich-demokratischen Revolution, die viele Hoffnungen weckte, aber schon bald in neuen Unterdrückungen mündete. Die kommunistische Revolution hat nur zum Teil Abhilfe geschaffen. Offiziell sind zwar die Frauen, denen laut Gesetz »die Hälfte des Himmels« gehört, seit 1950 den Männern rechtlich gleichgestellt. In Fabriken und auf dem Lande ist gleicher Lohn für gleiche Arbeit vorgeschrieben und auch äußerlich tragen bis heute viele Chinesen die für beide Geschlechter gleichen blauen Arbeitsuniformen (was im Westen oft als »Mao-Look« bezeichnet wird). Dennoch finden sich in den meisten leitenden Positionen von Regierung wie im Geschäftsleben nach wie vor ganz überwiegend Männer.
Obwohl Hochzeiten heute in der Regel nicht mehr von den Eltern arrangiert werden, sind Liebesehen weiter die Ausnahme. Vor allem auf dem Lande bedeutet Ehe zuerst Kameradschaft. Die letzte Anpassung der staatlichen Ehegesetze aus dem
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