Die Geschichte von Liebe und Sex
auch Frauen das Recht auf Glück und sexuelle Befriedigung zugesprochen wurde.
Die Rache der Obrigkeit ließ nicht lange auf sich warten: Im Jahre 8 n. Chr. verbannte ihn Kaiser Augustus ohne Angabe von Gründen in die Provinz, in einen abgelegenen Ort am Schwarzen Meer. Die Gründe waren ein offenes Geheimnis: Die einzige Tochter des Kaisers, Julia, war nicht nur eine begeisterte Anhängerin der Liebesgedichte Ovids, sondern führte nach Ansicht ihres Vaters einen ungehörigen Lebenswandel mit verschiedenen, selbst jüngeren Liebhabern, der nur durch Ovid inspiriert sein konnte.
Ovid bat sowohl Kaiser Augustus als auch dessen Nachfolger Kaiser Tiberias (ab 14 n. Chr.) mehrmals um Aufhebung der Verbannung, doch ohne Erfolg. Ovid litt unter der Verbannung, obwohl er inzwischen durch Einnahmen aus seinen Büchern keine finanzielle Not mehr kannte. Seine dritte Frau hielt zu ihm bis zu seinem Tod und beide erfreuten sich an der einzigen Tochter, die ihnen später noch zwei Enkelkinder schenkte, welche Ovid als das größte Glück seiner letzten Jahre beschrieb. Er starb in der Verbannung um 18 n. Chr. im Alter von etwa 60 Jahren.
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|72| Shakti und Shiva
Das asiatisch-sinnliche erste Mal
2 000 v. Chr. bis heute
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Indien: Vom Kamasutra zum Taj Mahal
Asien ist der größte und bevölkerungsreichste Kontinent auf unserer Erde. Die Vielfalt seiner Traditionen und Kulturen ist bis heute in der westlichen Welt kaum bekannt. Was wir wissen, beschränkt sich oft auf zufällige Einzelheiten, die Außenstehenden besonders attraktiv oder skurril erschienen.
Allein in Indien leben über eine Milliarde Menschen, in China sogar 1,3 Milliarden. Das sind zusammen etwa ein Drittel der Menschheit und gut acht Mal so viel wie in den USA, deren Kultur uns durch die Medien als eine der vorherrschenden auf unserer Erde präsentiert wird. Lange bevor ägyptische Pharaonen die ersten Pyramiden bauen ließen, gab es bereits in Ost-China (am Hwangho-Fluss südlich vom heutigen Beijing) riesige künstliche Bewässerungssysteme und eine Kultur, die Seidenproduktion aus Raupenzucht und eine aus Knoten geflochtene Schrift kannte. Und von der vor rund 2 300 Jahren begonnenen, über 6 000 Kilometer langen Chinesischen Mauer wird bis heute immer wieder behauptet, sie sei das einzige Bauwerk auf unserem Planeten, das Astronauten vom Mond aus mit bloßem Auge erkennen können.
In Indien leben mehr Menschen als in ganz Afrika, dem zweitgrößten Kontinent der Erde. In wohl keinem anderen Land der Erde haben durch die Jahrhunderte so vielfältige, extreme und widersprüchliche Traditionen rund um Liebe und Sex nebeneinander existiert wie hier. Selbst unter den Angehörigen der großen Religionen, wie den Hindus (die heute |74| rund 75 Prozent der Bevölkerung ausmachen) und den Muslimen (rund 18 Prozent), sowie unter den Sikhs, Christen und Buddhisten gibt es nicht selten einander widersprechende Auffassungen.
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|74| Einige zentrale Götter, wie zum Beispiel Shiva, hatten zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Regionen stark unterschiedliche Bedeutungen: Neben Brahma, dem Gott aller Schöpfung im Hinduismus, gilt Shiva einerseits als Gott der Zerstörung. In verschiedenen Richtungen des Hinduismus und des Buddhismus dagegen schafft er als passiver Liebespartner der sexuell aktiven Göttin Shakti das Universum beständig neu. Shiva kann auch verstanden werden als ein Gott, der Widersprüche in sich vereinigt: Mal ist er ein sexueller Supermann, mal ein Asket, der nichts mit Frauen zu tun haben will. Anders als bei den meisten anderen Göttern sind ihm seine Partnerinnen ebenbürtig und verführen ihn nicht selten nach allen Regeln der Kunst, während er passiv genießt.
In Indien haben Archäologen 4 000 Jahre alte Belege für heilige Prostituierte in Tempeln gefunden, die ältesten weltweit. Die erotischen Skulpturen, die Touristen gegenwärtig zum Beispiel an den Tempelmauern in Khajuraho (geschaffen um 930 – 950 n. Chr.) bestaunen, stehen in deutlichem Kontrast zum eher puritanischen Indien von heute. Über die Jahrhunderte waren die Tempelprostituierten in einer vom Hinduismus bestimmten Kastengesellschaft oft die einzigen Frauen, die außer Singen und Tanzen auch Lesen und Schreiben lernten. Es gibt Gegenden, wo gebildete heilige Prostituierte bis heute zur Unterhaltung bei Familienfeiern eingeladen werden. Die formale Ausbildung junger Mädchen zu Tempelprostituierten wurde zum Beispiel in
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