Die Geschichte von Liebe und Sex
gleichen Abend zum Sultan.
Der schaut ihn erstaunt an: »Du bringst mir deine Tochter, Wesir? Weißt du nicht, was ihr morgen früh geschehen wird?«
Der Wesir kann nur mit Mühe die Tränen unterdrücken. Schließlich stößt er hervor: »Aber sie will es so. Sie will euer gebrochenes Herz wieder heilen, oh gnädiger Herr!« Dann wendet er sich erschüttert ab und lässt seine Tochter beim Sultan zurück.
Der Sultan ist berührt von der Schönheit der jungen Scheherazade – aber hat er nicht schon so viele aufreizende Frauen erlebt? Und war seine erste Frau nicht die schönste von allen? Schließlich: Was nutzt alle Schönheit, wenn kein Vertrauen, keine wirkliche Liebe, da ist?
Der Sultan speist mit ihr zu Abend. Sie trinken Wein, und er küsst sie rücksichtslos, wie er nun schon viele vor ihr geküsst hat. Scheherazade jedoch beginnt in der ersten Pause mit sanfter Stimme zu sprechen. Sie bittet nicht um Gnade, sie schmeichelt dem Sultan nicht, wie so viele vor ihr. Sie fragt: »Oh mächtiger Sultan, kennt Ihr die Geschichte vom Kaufmann, der von einem gewaltigen Geist mit dem Schwert erschlagen werden soll?«
Der Sultan schüttelt eher uninteressiert den Kopf. Aber er schaut kurz auf und diesen Moment nutzt sie und beginnt zu erzählen … um ihr Leben. Von Geistern und schönen Prinzen, vom Tod und der Liebe, von fernen Ländern und wilden Tieren, vom Lachen und Weinen … Und immer bevor eine Geschichte einer Auflösung nahe ist, bricht sie ab, denn die ersten Sonnenstrahlen des nächsten Morgens dringen ins Schlafgemach des Sultans.
|105| »Nun mach schon«, fährt er sie an. »Wie geht es nun weiter mit der bezaubernden Prinzessin und ihrem habgierigen Liebhaber?«
»Es ist Tag, oh Herr, unsere Nacht ist zu Ende. Aber wenn Ihr mich am Leben lasst, werde ich Euch morgen in allen Einzelheiten erzählen, wie die Prinzessin noch einen zweiten Liebhaber trifft, der so ganz anders ist als der erste.«
Tatsächlich lässt er sie ziehen unter der Bedingung, dass sie morgen Nacht die Geschichte bestimmt zu Ende bringen müsse. Aber Scheherazade erzählt und erzählt … beinah drei Jahre lang: Genau 1001 Nacht!
So lange dauert es, bis die Bitterkeit im Herzen des Sultans endlich überwunden ist. »Bei Allah – du bist tugendhaft und rein!«, ruft der Sultan befreit. Der Sultan heiratet Scheherazade und »herrscht dann noch viele Jahre in Glück und Freude, bis ihn der Tod überrascht, mit dem alles Irdische endet«.
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Zusammenfassung des Autors nach verschiedenen Übersetzungen aus dem Arabischen.
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Die Weisheit des Islam, Fememorde und Al Qaida
Der Siegeszug des frühen Islam war nicht zuerst einer des Schwertes, sondern des Buches: Gelehrsamkeit und Handel galten als sich ergänzende Tugenden. Der bereits erwähnte Kalif Harun ar-Raschid (766 – 809), dessen Name im Arabischen der «Rechtsgeleitete« bedeutet, machte Bagdad nicht nur zum Zentrum der neuen Religion, sondern versammelte an seinem Hof auch Gelehrte, Dichter und Künstler aus aller Welt. Handelsbeziehungen reichten nach Europa, Asien und Afrika.
Einer seiner Nachfolger gründete im Jahr 830 eine Akademie der Wissenschaften, die systematisch das Wissen der Griechen erforschte und die Basis für die moderne Mathematik legte. Der Universalgelehrte Ibn Sina (980 – 1037), der in christlichen Ländern unter dem Namen Avicenna berühmt wurde, verfasste mehr als 100 Werke über Philosophie, Meteorologie und Medizin. Allein in Bagdad gab es über 1 000 Ärzte und ein erstes Krankenhaus für Geisteskranke, wo auch nach heutigen Maßstäben hochmoderne Musiktherapie zu den üblichen Behandlungsmethoden gehörte.
Doch auch in andere Teile des islamischen Weltreiches wurde Wissen und Kultur gebracht: Im spanischen Cordoba, wo Araber und Juden |106| zusammen forschten, gab es um das Jahr 900 eine Bibliothek mit mehr als 500 000 Titeln, als selbst die reichsten christlichen Klöster nicht mehr als einige Dutzend Bücher besaßen. Universitäten wurden auf einem Niveau gegründet, deren Leistungen zum Teil erst in jüngster Zeit anerkannt werden – so zum Beispiel im westafrikanischen Timbuktu, wo um das Jahr 1150 mehr als 25 000 Studenten die drei Universitäten der Stadt besuchten.
Gewalt in bislang nicht gekanntem Umfang ging dagegen ab 1095 von den Christen aus: Papst Urban II (zirka 1035 – 1099) rief unter der Losung »Befreiung des heiligen Grabes von Jesus in Jerusalem« zu Kreuzzügen gegen Muslime, aber auch
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