Die Geschichte von Liebe und Sex
und damit auch der Menschheit revolutioniert, thematisiert der österreichische Arzt Sigmund Freud (1856 – 1939) die bis dahin weitgehend tabuisierte menschliche Sexualität in ihrer Bedeutung für ein glückliches und gesundes Leben. Eine seiner zentralen Thesen lautet: Wir Menschen werden nicht nur von unserem Willen gesteuert, sondern unser Handeln wird auch von unbewussten Trieben beeinflusst – »der Mensch ist nicht Herr seiner selbst.« Der stärkste dieser Triebe ist der Sexualtrieb.
Aus seiner Erfahrung als Nervenarzt folgert er, dass seelische Erkrankungen häufig auf unterdrückte oder tabuisierte sexuelle Gefühle zurückzuführen sind, die konflikthaft oder nur unzureichend verarbeitet wurden. Die Folge ist ein Vorgang, den er Verdrängung nennt: Sexuelle Ängste oder Sehnsüchte werden im Bewusstsein nicht zugelassen und ins Unbewusste verdrängt. Dort wirken sie jedoch weiter und erzeugen Depression (passives Leiden) oder Aggression (aktives Angreifen). Als Heilungsmethode entwickelt er die Psychoanalyse , während der ein Arzt dem Patienten hilft, Verdrängtes bewusst zu machen und so durch eine nachträgliche Verarbeitung von inneren Konflikten gesund werden zu können.
Im Jahr 1905 veröffentlicht er Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie , in denen er bereits Kindern sexuelle und erotische Gefühle zugesteht – ein weitgehendes Tabu bis heute. Seiner Ansicht nach ist der Sexualtrieb die größte Antriebskraft im Leben eines Menschen. Durch Sublimierung (Verfeinerung) ihres sexuellen Begehrens können Menschen größte kulturelle Leistungen vollbringen. Nur Liebe und Sex vermögen dem auch in uns wohnenden Todestrieb die Stirn zu bieten.
Obwohl Freud von Anfang an umstritten ist und immer wieder angefeindet wird, wächst sein internationaler Ruhm. So erhält er in Deutschland unter anderem 1930 den Goethepreis der Stadt Frankfurt am Main, was Nationalsozialisten zum Anlass für antijüdische Krawalle nehmen. Nach der Machtergreifung Hitlers im Jahr 1933 werden seine Bücher öffentlich |128| verbrannt. Als die deutsche Wehrmacht 1938 in Österreich einmarschiert, emigriert er nach England. Knapp ein Jahr später stirbt Sigmund Freud im Alter von 83 Jahren in London.
Seine jüngste Tochter Anna Freud (1895 – 1982) tritt bereits in Wien in die Fußstapfen des Vaters. Ihr Schwerpunkt ist die Behandlung von Kindern. Sie wird später eine der wichtigsten Begründerinnen der Kinder- und Jugendpsychologie. Ab 1925 lebt sie mit ihrer Partnerin, der Amerikanerin Dorothy Burlingham (1891 – 1979), und deren vier Kindern in einer Liebesbeziehung zusammen. Gemeinsam mit Annas Vater emigrieren beide Frauen nach London, wo sie von 1940 – 45 ein Kinderheim für Kriegswaisen leiten. Über diese Erfahrungen veröffentlichen sie später zwei Bücher. Erst 1971 reist Anna Freud das erste Mal wieder nach Wien. Sie erhält viele internationale Ehrungen und stirbt mit 82 Jahren in London, drei Jahre nach dem Tod ihrer Lebenspartnerin Dorothy.
Zu Sigmund Freuds bekanntesten Schülern gehören Carl Gustav Jung (1875 – 1961) und Wilhelm Reich (1897 – 1957), die sich später von Freud distanzieren und eigene Sexualtheorien entwickeln. Carl Gustav Jung prägt den auch auf sexuelle Sehnsüchte bezogenen Satz: Erleuchtet wird man durch das Erkennen der eigenen Dunkelheit . Der Neo-Psychoanalytiker Erich Fromm (1900 – 1980), der neben den persönlichen vor allem auch gesellschaftliche Faktoren betont, veröffentlicht 1956 den Klassiker Die Kunst des Liebens , der bis heute in immer neuen Auflagen in vielen Ländern erscheint.
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Eine europäisch-afrikanische Liebe: Ruth und Seretse
Inzwischen gibt es in den meisten europäischen Ländern, so auch in Deutschland, viele Partnerschaften und Ehen zwischen Menschen unterschiedlicher Hautfarben und Herkünfte, die ihre Beziehungen so leben wie andere auch. Haben sie gemeinsame Kinder, werden je eigene Wege gefunden, wo nötig auf Neugier oder Ablehnung anderer zu reagieren. Das Bedürfnis nach dem »Exotischen« als sexuellem Reiz scheint gleichwohl bei einem Großteil der Bevölkerung ungebrochen. Da muss es dann um |129| Extreme gehen, sonst scheint es ein Publikum, dessen eigenes Leben möglicherweise eher langweilig verläuft, nicht zu interessieren.
Der jüngste Kassenschlager in diesem Genre ist die Geschichte der Schweizerin Corinne Hofmann (* 1960). Während eines Urlaubs in Kenia verliebt sie sich in einen Massai und zieht wenig
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