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Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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bin ich treu. Wenn ich mit ner Frau zusammen bin, bin ich ihr treu. Ich bin serieller Monogamist, könnte man sagen.«
    Glaubt ihm Toby das? Sie ist sich da nicht so sicher.
    »Aber dann hat Lucerne die Gärtner verlassen«, sagt sie.
    »Und du bist Eva Sechs geworden. Du hast mit den Bienen geredet, hast die Trips ausgehändigt. Du warst wie so ne Mutter Oberin. Die guckt mich nicht mit dem Arsch an, hab ich gedacht. Die unnahbare Atlantisralle«, sagt er. Atlantisralle ist Tobys alter MaddAddam-Codename. »Das warst du.«
    »Und du warst Geisterbär«, sagt Toby. »Schwer zu finden, aber bringt Glück, wenn man mal einen sichtet. So hieß es immer in den Geschichten, bevor diese Bärenart ausgestorben ist.« Sie fängt an zu schniefen. Auch das kommt von der Meditationsmixtur: Sie bringt die Festungswände zum Schmelzen.
    »He. Was ist los? Hab ich was Falsches gesagt?«
    »Nein«, sagt Toby. »Ich bin nur sentimental.«
    All diese Jahre warst du mein Rettungsanker, will sie sagen. Aber sie schweigt.

Der junge Crake
    »Jetzt muss ich mir was aus den Fingern saugen«, sagt Toby. »Eine Geschichte mit Crake und auch mit dir. Crake kannte Pilar ja wirklich, als er noch jünger war, das weiß ich inzwischen. Aber was sag ich über dich?«
    »Zufällig stimmt dieser Teil der Geschichte«, sagt Zeb. »Ich hab ihn gekannt, noch bevor es die Gärtner überhaupt gab. Nur war er damals noch nicht Crake, nicht mal annähernd. Er war nur irgendein verkorkster Junge namens Glenn.«
    Nachdem Zeb sich bei HelthWyzer eingerichtet hatte, lernte er die dortigen Verhaltensmuster und fuhr fort, sie so schnell wie möglich nachzuahmen. Die richtigen Verhaltensmuster zur Schau zu stellen war der goldene Pfad zur Integration und somit zum Überleben. Wenn also das riesige Monsterauge Hochwürdens über das riesige Konzernnetzwerk zu gleiten und nach ihm zu suchen begann, was jeden Moment passieren könnte, würde er ihn schlichtweg übersehen. Schutzfärbung, das war es, was er brauchte.
    Das offizielle Image von HelthWyzer West war das einer großen, glücklichen Familie, die sich der Wahrheit verschrieben hatte, der Besserung des Menschen. Sich allzu lange mit dem Thema Wertsteigerung für Aktionäre aufzuhalten galt als schlechter Stil, doch andererseits gab es auch ein Optionspaket für Angestellte. Von allen Mitarbeitern wurde erwartet, dass sie unermüdlich gute Laune hatten, gewissenhaft ihre zugewiesenen Ziele erreichten und – genau wie in einer richtigen Familie – nicht allzu genau nachfragten, was da eigentlich wirklich gespielt wurde.
    Und ebenso wie in einer richtigen Familie gab es verbotene Zonen. Einige waren gedanklich, andere rein körperlich. Das Plebsland jenseits des HelthWyzer-Komplexes gehörte dazu, es sei denn, man besaß einen Pass und ausgewiesenen Personenschutz. Die firmeneigenen Firewalls waren dick und in manchen Fällen undurchdringlich geworden, es sei denn, man hatte einen Heimvorteil; wem es also nicht gelang, sich ins System zu hacken, schnappte sich das Primärmaterial. Superhirne aus Konzernen aller Art wurden entführt und ins Ausland oder – so sagte man – zu einem rivalisierenden Konzern verschleppt, wo man das vermutete Gold und die Edelsteine aus ihren Köpfen schabte.
    Dergleichen stellte für HelthWyzer West eine ernsthafte Bedrohung dar – das heißt also, hinter verschlossenen Türen spielten sich allerhand eher wichtige Dinge ab –, und sie hatten die entsprechenden Schutzbarrieren hochgezogen. Alle Top-Bio-Nerds trugen Beeper bei sich, die ihren Standort erfassten, wobei auch die in der Vergangenheit schon geschickt gehackt und benutzt worden waren, um ihre Träger aufzuspüren. In den Fluren und Konferenzräumen gemahnten Plakate an die allgegenwärtigen Gefahren. KOPFLOS IST SINNLOS ! SICHERHEIT GEHT VOR ! Oder: DEIN GEDÄCHTNIS IST UNSERE IP - ADRESSE , WIR SCHÜTZEN SIE FÜR DICH !
    Oder: DAS HIRN IST WIE EIN FELD : OHNE FRÜCHTE IST ES WERTLOS . Auf dieses letzte Poster hatte jemand mit Filzmarker geschrieben: Obst ist gesund! Esst mehr Scheiße! Aha, dachte Zeb, unter all den lächelnden Gesichtern gab es also auch ein paar heimliche Querulanten.
    Zur allgemeinen Erbauung veranstaltete HelthWyzer jeden Donnerstag im zentralen Park des Komplexes für die glückliche Familie ein Grillfest. Von Adam wusste Zeb, dass er diese Happenings unter gar keinen Umständen versäumen dürfe, da sie optimales Territorium boten, zu lauschen und die unsichtbaren Machtstrukturen

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